rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Schätzung nach den amtlichen Richtsatzsammlungen bei Überschreiten der darin ausgewiesenen Reingewinnsätze für Speiserestaurants
Leitsatz (amtlich)
Bei einer eingeschränkten Erkenntnisgrundlage zum Umfang nicht verbuchten Wareneinkaufs darf ein auf den gesamten Wareneinsatz angelegter Rohgewinnaufschlagsatz laut Richtsatzsammlung nicht zur Überschreitung des darin nachfolgend ausgewiesenen Reingewinnsatzes führen.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2 S. 2, § 145 Abs. 1, §§ 146-147
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit einer Schätzung des Gewinns eines Gastronomiebetriebes.
Der Kläger und seine damalige Ehefrau wurden bis einschließlich 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Nach den Angaben der Steuererklärung lebten sie seit Anfang 2007 getrennt. Die Ehe wurde am 24. November 2009 geschieden.
Der Kläger betrieb von 1996 bis Februar 2008 das griechische Restaurant … in … (130 Sitzplätze im Innenraum, 65 Sitzplätze im Biergarten, Öffnungszeiten von Montag bis Sonntag jeweils 11:30 Uhr bis 14:30 Uhr und 17:30 Uhr bis 23:00 Uhr; Quelle Internetauftritt: … .de). Daneben erzielt er seit 2005 weitere gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb von Spielautomaten sowie Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte. Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 2007 übertrug er das Restaurant im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung zum 14. Februar 2008 auf die Ehefrau, welche das Restaurant seitdem weiterführt. Sie war im streitigen Zeitraum im Gastbetrieb angestellt und erzielte zuletzt 2007 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 4908 €.
Der Beklagte veranlagte die Streitjahre im Wesentlichen erklärungsgemäß. Im Oktober 2009 begann eine Betriebsprüfung für die Jahre 2005-2007. Im Rahmen dessen wurde durch die Steuerfahndung des Finanzamts … am 9. Juni 2010 das Strafverfahren für 2004-2008 eingeleitet und am 5. Oktober 2010 dem Kläger bekannt gegeben. Das steuerliche Ermittlungsverfahren wurde auf die Jahre ab 1999 ausgeweitet.
In der Folge vertrat die Steuerfahndung die Auffassung, dass die Aufzeichnungen der Einnahmen für die Jahre 1999 bis 2007 nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Für 1999-2003 seien keine Kassenausdrucke der vorhandenen Registerkasse aufbewahrt worden. Die Tageseinnahmen seien lediglich als meist glatte Beträge (gerundet auf 5 oder 10 DM/Euro) in das Kassenbuch eingetragen worden. Für 2004-2007 seien Z-Bons einer Registrierkasse als Nachweis der Tageseinnahmen vorgelegt worden. Diese gäben offensichtlich nicht die tatsächlich erzielten Einnahmen wieder. Auffallend sei, dass nach ihnen in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. August 2005 täglich, mit ganz wenigen Ausnahmen, volle Euro-Beträge vereinnahmt worden seien. Neben weiteren Auffälligkeiten hätten die Z-Bons kein Storno ausgewiesen. Der Z-1 Zähler zum 31. Dezember 2006 weise die Nummer 1113 und der zum 1. Januar 2007 die Nummer 1247 aus. Der Sprung von 134 Einheiten bedeute, dass innerhalb dieses Tages gleichviele Tagesabschlüsse gemacht worden sein müssten. Solche Ausdrucke könnten nicht durch die ordnungsgemäße Bedienung der Registrierkasse erzielt worden sein. Daher seien die Grundaufzeichnungen und in der Folge die Einnahme-Überschussrechnung für 1999 bis 2002 bzw. die Buchführung für 2003-2007 nicht ordnungsgemäß.
Neben formellen Mängeln weise sie auch tatsächliche Unrichtigkeiten auf. Daher seien unter Zugrundelegung des verbuchten Wareneinsatzes die Besteuerungsgrundlagen zu kalkulieren gewesen. Für 2005 habe eine Kalkulation anhand der eingekauften Getränke stattgefunden. Dies habe ohne Berücksichtigung des überwiegenden Spirituoseneinkaufs (Ouzo, Liköre) zu einem Rohgewinnaufschlagsatz von 423 % geführt. Da nach Angaben des Klägers der eingekaufte Kaffee überwiegend unentgeltlich abgegeben worden sei, sei dieser bei der Ermittlung des Aufschlagsatzes herausgenommen worden, ebenso sei ein überdurchschnittlicher Schankverlust von 10 % berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 370 %. Mit diesem Satz sei der Getränkeumsatz ermittelt worden. Der diesbezügliche Wareneinsatz sei nicht um Boni und Rabatte gemindert worden, da bei der Getränkekalkulation der Einkaufspreis auch nicht entsprechend gemindert worden sei. Eine Minderung hätte zu einem höheren Rohgewinnaufschlagsatz geführt. Zu seiner Ermittlung sei angenommen worden, dass die Getränke 25 % des Gesamtumsatzes ausgemacht hätten. Die vorgelegten Z-Bons hätten einen Getränkeanteil am Gesamtumsatz von 20 % bis 25 % ausgewiesen. Ein vorgefundener Kassenausdruck für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 5. Oktober 2010 im von der Ehefrau fortgeführten Betrieb weise einen Getränkeanteil von 22,34 % aus. Vorgefundene Rechnungen für die Zeit vom 23. September 2010 bis 1. Oktober 2010 (über 120 Stück) hätten einen durchschnittlichen Getränkeumsatzanteil unter 25 % ausgewiesen. In einem anderen griechischen Restaurant habe der Anteil 21,53 % betragen. Dass der damit ermi...