Zulassung der Revision durch BFH Beschluss II B 74/20 vom 30. 11. 2020 (Az. des Revisionsverfahrens: II R 37/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Einlegung eines Einspruchs auch im Namen des anderen Ehegatten bei an beide Ehegatten getrennt ergangenen Erbschaftsteuerbescheiden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einspruchsschrift muss erkennen lassen, wer Einspruchsführer ist. Hierfür genügt es, wenn aus dem Einspruch hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat. Wer die Verwaltungsentscheidung angreift, muss sich aus der Rechtsmittelschrift klar ergeben. Bei Ehegatten ist zu beachten, dass diese selbständige Steuersubjekte bleiben und daher jeder für sich einspruchsbefugt ist. Demzufolge gilt der Einspruch des einen Ehegatten nicht ohne Weiteres auch für den anderen Ehegatten. Das gilt insbesondere dann, wenn den Ehegatten ein Steuerbescheid in je einer Ausfertigung unter ihrem jeweiligen Namen bekannt gegeben worden sind. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf auch für den anderen eingelegt wird, und zwar auch dann nicht, wenn die Eheleute eine gemeinsame Steuererklärung abgegeben haben.
2. An der Auslegungsbedürftigkeit und Auslegungsfähigkeit fehlt es, wenn die Erklärung ihrem Wortlaut und Zweck nach einen eindeutigen Inhalt hat. Maßgeblich ist ausschließlich der Inhalt der Rechtsmittelschrift selbst und eine etwaige Begründung, sofern sie noch innerhalb der Einspruchsfrist abgegebenen wurde.
Normenkette
AO §§ 110, 175 Abs. 1 Nr. 1, § 351 Abs. 1, § 357 Abs. 1 S. 2, § 359 Nr. 1, § 365; ErbStG § 31 Abs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob der Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid vom 12. September 2014 und gegen den Änderungsbescheid vom 11. Mai 2016 in zulässiger Weise erhoben wurden.
Die Kläger sind laut gemeinschaftlichem Erbschein vom 8. April 2015 die gesetzlichen Erben der am 7. Februar 2015 verstorbenen Frau R. B. (nachfolgend Erblasserin genannt).
Noch zu ihren Lebzeiten beerbte die Erblasserin zusammen mit dem Kläger zu 1., ihrem Ehemann, dessen Schwester Frau A. B. zu je 1/2; diese verstarb am 1. April 2010.
Obwohl nur der Kläger zu 1. zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert wurde, gaben der Kläger zu 1. und die Erblasserin am 20. Mai 2011 eine gemeinschaftlich unterschriebene Erbschaftsteuererklärung ab. In der Folgezeit korrespondierte das ehemals zuständige Finanzamt S ausschließlich mit dem Kläger zu 1.
Am 12. September 2014 erließ das Finanzamt S sowohl gegen den Kläger zu 1. unter der Steuernummer …1 als auch gegen die Erblasserin unter der Steuernummer …3 jeweils getrennte Erbschaftsteuerbescheide mit einer Festsetzung in Höhe von 19.980 € bezüglich des Klägers zu 1. und in Höhe von 29.970 € bezüglich der Erblasserin.
Per Telefax vom 1. Oktober 2014 erhob der Kläger "vorsorglich Widerspruch". Als Absender bezeichnete er sich selbst und gab unter "Betreff" seine Steuernummer (…1) und seine Identifikationsnummer (…5) an. Das Einspruchsschreiben beginnt mit dem Einleitungssatz "… lege ich hiermit vorsorglich Widerspruch ein, den ich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und unter Angabe aller zu berücksichtigenden Fakten begründen werde …" (Zitat). Einen Hinweis darauf, dass der Einspruch zugleich auch für die Erblasserin eingelegt worden sein sollte, enthält das Einspruchsscheiben des Klägers zu 1. nicht.
Durch Schreiben vom 1. Dezember 2014 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte unter Vollmachtvorlage die Vertretung des Klägers zu 1. sowie der Erblasserin an. Ferner teilte er mit, dass der mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 eingelegte Einspruch auch im Namen und in Vollmacht der Ehefrau (der Erblasserin) eingelegt worden sei. Außerdem beantragte er im Schreiben vom 27. April 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er in den beiden Schreiben vom 27. April 2015 und vom 6. Mai 2015 aus, die Erblasserin sei unverschuldet davon ausgegangen, dass ihr Ehemann Einspruch einlegen werde, und sie sei aufgrund ihrer Lungenerkrankung nicht in der Lage gewesen, den Einspruch selbst einzulegen bzw. sich darum zu kümmern.
Auf den Einspruch des Klägers zu 1. vom 1. Oktober 2014 minderte der zuständig gewordene Beklagte dessen Erbschaftsteuerschuld durch Bescheid vom 25. April 2016 entsprechend seinen Ausführungen im Schreiben vom 15. April 2015 auf einen Betrag in Höhe von 3.720 €.
Den an die Erblasserin adressierten Erbschaftsteuerbescheid änderte der Beklagte - gestützt auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO - durch Bescheid vom 11. Mai 2016, nachdem das Lagefinanzamt W am 11. April 2016 geänderte Grundlagenbescheide erlassen hatte; darin wurde die Erbschaftsteuerschuld der Erblasserin auf einen Betrag in Höhe von 27.240 € herabgesetzt. Gegen den gesondert bekannt gegebenen Änderungsbescheid legten die Kläger jeweils Einspruch ein und begehrten eine weitere Herabsetzung der Erbschaftsteuer aus den gleichen Gründen wie beim Kläger zu 1.
Unter dem Datum vom 7. März 2017 und vom 8. März 2017...