Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Rechnungsberichtigung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Hierfür reicht es aus, dass sie zu den vorgenannten Kernmerkmalen (Mindestanforderungen) Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (Anschluss an BFH-Rspr.).
2. An einer berichtigungsfähigen Rechnung fehlt es mithin dann, wenn - im Anschluss an eine nicht mehr vorliegende Organschaft - der falsche Leistungsempfänger bezeichnet ist.
3. Das gilt auch dann, wenn es sich um Abschlagsrechnungen (Teilleistungsrechnungen) handelt.
Normenkette
UStG § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; UStDV § 31 Abs. 5b
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen des Vorsteuerabzugs, ob berichtigungsfähige Rechnungen vorgelegen haben und ggfs. vorzunehmende Berichtigungen Rückwirkung haben. Die Klage richtet sich gegen die Kürzung der im Streitjahr abziehbaren Vorsteuer i.H.v. 23.709,61 € im Anschluss an einer Betriebsprüfung und eine daraus resultierende Zinsfestsetzung.
Die Klägerin war bis zum 31.12.2011 Organträgerin einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Auf dem ihr gehörenden Grundstück betreibt die Autohaus W GmbH ihr Unternehmen. Die Organschaft endete aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 22.04.2010 V R 9/09 und vom 01.12.2010 XI R 43/08) mit Wirkung ab 01.01.2012 (vgl. BMF-Schreiben vom 05.07.2011 IV D 2-S 7105/10/10001, BStBl. I 2011, 703).
Für die Jahre 2012 bis 2014 führte der Beklagte bei der Klägerin im Jahr 2016 eine Außenprüfung durch. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass Rechnungen von leistenden Unternehmern für die im Streitjahr 2013 erfolgte Sanierung der auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen und an die GmbH verpachteten Tankstelle nicht auf die Klägerin selbst, sondern auf die GmbH ausgestellt worden waren. Gleichwohl hatte die Klägerin aus diesen Rechnungen die Vorsteuer i.H.v. insgesamt 23.709,61 € abgezogen. Eine Einzelaufstellung dieser Rechnungen findet sich unter 4.5 des BP-Berichts vom 19.8.2016, Bl. 23 f. BP-Akte 2011-2014).
Dem Bericht der Außenprüfung vom 19.08.2016 folgend kürzte der Beklagte in dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 07.10.2016 die abzugsfähige Vorsteuer um diesen Betrag. In dem Bescheid wurden auch Zinsen zur Umsatzsteuer für einen Zinszeitraum von 18 Monaten festgesetzt.
Hiergegen legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor, die Frage nach der Abzugsfähigkeit von Vorsteuern bei fehlerhafter Adressierung der Rechnung mit nachfolgender Berichtigung sei derzeit beim EuGH anhängig, weshalb die Bestandskraft offen gehalten werden solle. In dem angefochtenen Bescheid sei darüber hinaus bei der Berechnung der Zinsen nicht beachtet worden, dass bei Abschluss der Betriebsprüfung am 19.08.2016 die berichtigten Rechnungen vorgelegen hätten und somit für diesen Teil der Steuernachzahlung i.H.v. 23.709,00 € der Zinslauf nur 16 Monate betragen dürfe.
Nachdem der Beklagte sodann in einer Stellungnahme dargelegte, dass er weder hinsichtlich der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung noch hinsichtlich des Zinslaufs dem Vortrag folgen könne, trug die Klägerin weiter vor, der EuGH habe mit Urteil vom 15.09.2016, Rechtssache C-518/14, entschieden, dass die Berichtigung einer Rechnung auf den ursprünglichen Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs zurückwirke. Danach könne die Finanzverwaltung in solchen Fällen keine Zinsen mehr festsetzen. An der Verkürzung des Zinszeitraums hielt der Vertreter der Klägerin nicht mehr fest, weil nach der EuGH-Rechtsauffassung dieses Problem nicht mehr bestehe. Andernfalls wäre dem Übermaß an Zinslast (die Voraussetzungen für den Abzug der Vorsteuer nach "noch gültigen Spielregeln" seien ja unstrittig im August 2016 gegeben) ggfs. durch Erlass im Rahmen der Billigkeit zu begegnen.
Der Beklagte erwiderte hierauf, dass die Entscheidung des EuGH nur den Fall betreffe, dass eine Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausweis wegen eines Formmangels (die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer habe gefehlt) berichtigt worden sei. In ihrer Erwiderung führte die Klägerin aus, sie könne der Argumentation des Beklagten nicht folgen. Die falsche Bezeichnung des Leistungsempfängers in den betreffenden Rechnungen sei inhaltlich auch als "Formmangel der Rechnung" zu werten. Insoweit sei die EuGH-Rechtsprechung hier ebenfalls anzuwenden, die Zinsfestsetzung i.H.v. 9 % von 23.709,00 € = 2.134,00 € nicht zulässig.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Unternehmer könne die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehm...