Entscheidungsstichwort (Thema)
Treu und Glauben bei unrichtiger Auskunft des Finanzamts über Steuerfreiheit von Einkünften - Steuerpflicht von Einkünften aus ISAF-Einsatz in Afghanistan
Leitsatz (amtlich)
1. Erteilt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen außerhalb des § 89 Abs. 2 AO eine unrichtige Auskunft betreffend die Steuerfreiheit von Einkünften, so ist eine Berufung auf Treu und Glauben jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn sich aus der Anfrage des Steuerpflichtigen ergibt, dass er unabhängig von der Auskunft disponieren will.
2. Einkünfte aus einem ISAF-Einsatz in Afghanistan sind nicht steuerbefreit, soweit das Gehalt von dem NATO Common Funding Budget und dem Hauptquartier der Alliierten in Belgien gezahlt wird.
Normenkette
AO § 89 Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind die Steuerpflicht der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sowie die Bindung des Beklagten an eine schriftliche Auskunft.
Die Kläger werden gemäß §§ 26, 26 b EStG veranlagt. Der Kläger bezog als Zeitsoldat der Bundeswehr vom 1. Januar 2008 bis 30. März 2008 aus einer Tätigkeit bei der NATO Organisation Shape mit Sitz in Belgien Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Ab dem 31. März 2008 übte er eine Tätigkeit als International Civilian Consultant (ICC) bei der Internationalen Sicherungsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force, kurz ISAF) in Kabul, Afghanistan aus.
Mit Schreiben vom 28. November 2007 hatte er dem damals zuständigen Finanzamt P. mitgeteilt, dass er derzeit als Zeitsoldat in Belgien seinen Dienst verrichte. Er werde durch die Wehrbereichsverwaltung Nord in Hannover besoldet und sei einkommensteuerpflichtig. Er habe nun einen Antrag auf unbezahlte Befreiung bzw. Beurlaubung bis zu seinem Dienstzeitende bei der Bundeswehr gestellt. Als Grund führte er an, dass er im April 2008 eine Stelle als ICC bei der ISAF antreten werde. Es handele sich um eine überstaatliche Stelle bei einer überstaatlichen Organisation. Der Vertrag sei auf vorerst 3 Jahre befristet. Er werde von der NATO/ISAF besoldet werden. Jeder Anspruch auf Besoldung durch die Bundeswehr sei hinfällig. Auf die im Rahmen dieser Auskunftsanfrage vorgelegten Unterlagen wird verwiesen (Blatt 5-12 der Einkommensteuerakten, Fach: Anfrage vom 3. Dezember 2007).
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2008 antwortete das Finanzamt, dass die Gehaltszahlungen an ihn gemäß Art. 19 des Übereinkommens über den Status der Nordatlantik Vertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des Internationalen Personals vom 20. September 1951 in Verbindung mit der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen vom 30. Mai 1958 (Bundesgesetzblatt 1958 II Seite 117, 118ff., zum Inkrafttreten vergleiche Bundesgesetzblatt 1958 II Seite 350) ohne Progressionsvorbehalt (vergleiche § 32 b Abs. 1 Nummer 4 EStG) steuerfrei zu stellen seien. Auf das Schreiben wird verwiesen (Blatt 27-28 der Einkommensteuerakten, Fach: Antwort des Finanzamts).
In der Folge änderte das Finanzamt bzw. die von ihm um Rechtshilfe gebetene OFD ihre Rechtsauffassung dahingehend, dass die Einkünfte der ISAF nicht durch das NATO-Truppenstatut bzw. das Ottawa-Übereinkommen geschützt würden. Die ursprüngliche Auffassung habe auf der irrigen Annahme beruht, dass die ISAF dem genannten Art. 19 des Übereinkommens unterliege. Dies ergebe sich aus einem unveröffentlichten BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2007. Die OFD habe ihre unzutreffende Auffassung daher zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgegeben.
Da das Finanzamt wegen seines Schreibens vom 12. Februar 2008 nicht von einer verbindlichen Auskunft ausging, wurden die Kläger zu Abgabe einer Einkommensteuererklärung 2008 aufgefordert. Eine Bindung an Treu und Glauben sei nicht gegeben, da der Kläger die Entscheidung für den Einsatz bereits vor seiner Anfrage getroffen habe.
Im Rahmen der Veranlagung legten die Kläger unter anderem die monatlichen Gehaltszettel (Blatt 35-40 der Einkommensteuerakte) sowie einen Kontoauszug zum Nachweis der auszahlenden Stelle vor (Blatt 75-76 der Einkommensteuerakten). Danach soll die auszahlende Stelle zur Unterstützung von NATO-Operationen, unter anderem der ISAF dienen.
Gegen den die Einkünfte des Klägers erfassenden Einkommensteuerbescheid 2008 vom 1. März 2010 legten die Kläger am 19. März 2010 Einspruch ein, mit dem sie auf die Auskunft vom 12. Februar 2008 und die zu Grunde liegende Rechtsauffassung verwiesen. Der Kläger habe am 28. November 2007 die Anfrage getätigt, den Arbeitsvertrag aber erst am 2. April 2008 unterzeichnet. Auf eine Bestätigung der NATO vom 4. März 2010 werde verwiesen (Blatt 89 der Einkommensteuerakten), worin die Zahlung des Lohns für Mitarbeiter der ISAF von der NATO über deren Headquarter in den Niederlanden erfolge. Weiterhin trugen sie vor, der zu beurteilen...