Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berücksichtigung einer Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten
Leitsatz (amtlich)
Einer Leistung aufgrund einer für Verbindlichkeiten der Gesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung kommt dann Eigenkapital ersetzender Charakter zu, wenn die Bürgschaft eine sog. Finanzplanbürgschaft darstellt oder zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als sich die Gesellschaft bereits in der Krise befand, oder für den Fall der Krise bestimmt war (der Rückgriffsanspruch also von vornherein wertlos war) oder in der Krise stehengelassen wurde, obgleich sie der Gesellschafter hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird. Da sich in letzterem Falle die bis zum Eintritt der Krise erfolgten Wertminderungen des Rückgriffsanspruches in der Privatsphäre des Gesellschafters abspielen, ist der Rückgriffsanspruch im Zeitpunkt des Eintrittes der Krise mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
Ausnahmsweise kann ein Auflösungsverlust bereits vor dem Abschluss der Liquidation feststehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die GmbH bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war oder ein Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Dann muss der Verlust zwingend in diesem Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden.
Normenkette
EStG 2000 § 17 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Zeitpunkt, an dem nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers aus einer GmbH-Beteiligung steuerlich zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist als Investmentberater gewerblich tätig. Daneben war er alleiniger Gesellschafter der W Bauträger GmbH in K (im Folgenden: W GmbH). Die Beteiligung hielt er in seinem Privatvermögen. Wegen Forderungen der Sparkasse S (im Folgenden: Sparkasse) gegen die W GmbH verbürgte sich der Kläger am 25. Januar 2001 ohne zeitliche und betragsmäßige Beschränkungen. Hierzu wird verwiesen auf die unbeschränkte Bürgschaft vom 25. Januar 2001 (Blatt 42 der Prozessakte im Verfahren 2 V 1232/08). Die W GmbH wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 21. Dezember 2001 aufgelöst, der Kläger wurde zum einzelvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. Ausweislich eines Schreibens an das Amtsgericht L vom 21. Dezember 2001 (Blatt 43 bis 44 der Prozessakten im Verfahren 2 V 1232/08) versicherte der Kläger, dass das Vermögen der GmbH ausschließlich zur Befriedigung der Gläubiger verwendet worden und vollständig aufgezehrt sei. Eine Liquidation sei deshalb nicht erforderlich geworden, die Firma sei erloschen. Mit Beschluss vom 28. Februar 2002 wurde die W GmbH im Handelsregister des Amtsgerichts L gelöscht.
In der Einkommensteuererklärung 2003 machte der Kläger einen Verlust aus der Auflösung der GmbH in Höhe von 77.782 € geltend. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2003 mit Bescheid vom 21. Oktober 2005, die auf 0 € lautete, ließ der Beklagte den beantragten Auflösungsverlust nicht zum Abzug zu. Ein dagegen eingelegter Einspruch wurde als unzulässig verworfen und hiergegen Klage erhoben (im Verfahren 2 K 1829/06). Im Klageverfahren hatte der Kläger außerdem beantragt, wegen der Auflösung der GmbH auf den 31. Dezember 2003 einen Verlust in Höhe von (nunmehr) 52.217 € festzustellen. Er trug damals hierzu vor, in Höhe dieses Betrages sei er im Jahr 2003 durch die Sparkasse wegen einer Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Damit handele es sich um im Jahre 2003 gemäß § 11 EStG abgeflossene nachträglich entstandene Anschaffungskosten. Bei der Liquidation im Jahre 2001 und 2002 sei noch nicht hinreichend sicher gewesen, ob die Sparkasse den Kläger im Rahmen der abgegebenen Bürgschaft in Anspruch nehmen würde.
Der Beklagte behandelte diesen Antrag außerhalb des Klageverfahrens gegen die Einkommensteuer 2003 und forderte den Kläger auf, Nachweise vorzulegen, unter anderem zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und ob die Bürgschaft in der Krise hingegeben worden sei. Daraufhin nahm der Kläger die Klage wegen der Einkommensteuer 2003 zurück und erklärte auch hinsichtlich des Antrags auf Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2003 gegenüber dem Beklagten die Angelegenheit als erledigt. Wegen dieser Vorgänge wird verwiesen auf den Schriftverkehr vom 14. November 2006 (Blatt 59, 59 R und 60 der Einkommensteuerakten Fach Antrag auf Verlustfeststellung 2003).
In der am 13. Dezember 2006 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung 2005 machte der Kläger wegen der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft der Sparkasse in Höhe von 57.000 €, einer Überweisung an einen L. H. in Höhe von 1500 € und einer Überweisung an eine Firma P in Höhe von 2500 € (zusammen 61.000 €) wiederum einen Auflösungsverlust gemäß § 17 Absatz 4 EStG geltend. Zu den 57.000 € legte er einen Kontoauszug der Volksbank S vom 13. Dezember 2005 vor, der eine Überweisung mit dem Vermerk "Überweisung PN: 908 Sparkasse S Verrechnungskonto" auswie...