Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Korrektur von Verlustverrechnungen im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG steht der Verrechnung von Altverlusten i.S. des § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung mit positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG bei der Antragsveranlagung gemäß § 32d Abs. 4 EStG nicht entgegen, da die depotbezogene unterjährige Verlustverrechnung der auszahlenden Stelle i.S. des § 43a Abs. 3 EStG zwar zeitlich vorrangig, aber nicht endgültig ist (Anschluss an BFH, Urteile vom 29. August 2017 VIII R 23/15, BFHE 259, 336, BStBl II 2019, 54; vom 3. Dezember 2019 VIII R 8/16, BFHE 267, 225, BStBl II 2020, 383).
2. Sofern kein von der auszahlenden Stelle offensichtlich selbst zu vertretender Fehler vorliegt, kommt eine Korrektur des Kapitalertragsteuerabzugs im Rahmen der Antragsveranlagung gemäß § 32d Abs. 4 EStG nur für den Veranlagungszeitraum der Kenntnisnahme durch die auszahlende Stelle, nicht jedoch rückwirkend für den Veranlagungszeitraum des Zuflusses der Kapitalerträge, in Betracht.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2; EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1, Abs. 3a, 6 Sätze 1, 5, § 23 Abs. 3 Sätze 9-10, § 32d Abs. 4, § 43 Abs. 5 S. 3, § 43a Abs. 3 Sätze 2-4, 7
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Aktienveräußerungsgewinn auf Antrag des Steuerpflichtigen unter Abänderung einer vorherigen Verrechnung nach § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG vorrangig mit Altverlusten nach § 23 EStG a.F. zu verrechnen ist und inwieweit der Kapitalertragsteuerabzug im Rahmen der Veranlagung korrigiert werden kann.
Der Kläger wurde im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Bankkaufmann erzielte er im Wesentlichen Einkünfte aus verschiedenen Kapitalanlagen. Zum 31. Dezember 2011 war für ihn ein verbleibender Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG a.F. in Höhe von 90.251 € gesondert festgestellt worden.
Da der Kläger zunächst keine Steuererklärungen eingereicht hatte, schätzte der Beklagte unter dem 8. Juli 2014 die Besteuerungsgrundlagen in Bescheiden für 2012 über Einkommensteuer sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2012 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 08. August 2014 Einsprüche ein (vgl. Bl. 81 Rückseite und Bl. 82 Rückseite d. ESt-Akten, Bd. V), zu deren Begründung er u.a. vortrug, es seien bei ihm im Kalenderjahr 2012 erhebliche Gewinne und Verluste aus Wertpapiergeschäften angefallen, welche die betreffenden Kreditinstitute miteinander saldiert hätten. Er beantrage, die Gewinne aus diesen Geschäften mit dem bestehenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2011 zu verrechnen und hierüber eine Bescheinigung zur Vorlage bei den Kreditinstituten auszustellen.
Mit seiner am 2. Dezember 2014 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2012 beantragte er zudem die Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG sowie die Verrechnung von Verlusten nach § 23 EStG nach der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage und reichte hierzu mehrere Wertpapierabrechnungen, u.a. der S AG & Co. KG (im Folgenden: S), ein.
Hiernach war er zum einen im Besitz von 8.000 Aktien der SNC, die er mit Wertstellung zum 13. September 2012 verkauft hatte. Die S bescheinigte aus dem Verkauf einen Gewinn in Höhe von 12.150,25 €, den sie in voller Höhe mit dem Aktienverlusttopf steuerlich verrechnete (Stand des Aktienverlusttopfes bis zur Verrechnung: 37.887,79 €, danach: 25.737,54 €; vgl. im Einzelnen Bl. 112 d. ESt-Akten, Bd. V).
Zum anderen war der Kläger im Besitz von EFSF-Papieren, die er im Zuge des Umtauschs von Anleihen der Republik Griechenland aufgrund des Invitation Memorandums vom 24. Februar 2012 im Jahr 2012 erworben und im gleichen Jahr wieder verkauft hatte. Für diese Wertpapierverkäufe bescheinigte die S im Wesentlichen Folgendes:
Bezeichnung |
Nominal |
Verkaufsdatum |
Kurswert |
Veräußerungsgewinn |
1% EFSF EO-Medium-Term Notes 2012(14) |
14.400 € |
27.08.2012 |
14.562,72 € |
9.065,68 € |
0,4% EO-Medium-Term Notes 2012(13) |
14.400 € |
29.08.2012 |
14.418,72 € |
8.868,84 € |
1% EFSF EO-Medium-Term Notes 2012(14) |
7.500 € |
21.12.2012 |
7.573,50 € |
2.289,93 € |
0,4% EO-Medium-Term Notes 2012(13) |
7.500 € |
21.12.2012 |
7.503,75 € |
2.258,28 € |
Die bescheinigten Veräußerungsgewinne verrechnete sie jeweils mit dem allgemeinen Verlusttopf. Dieser verringerte sich dementsprechend durch die Wertpapierverkäufe am 27. und 29. August 2012 von 18.339,75 € auf 9.274,07 € bzw. von 9.274,07 € auf 405,23 €. Lt. Wertpapierabrechnung vom 21. Dezember 2012 betrug der Stand des allgemeinen Verlusttopfes zu diesem Zeitpunkt wieder 31.947,42 € und verringerte sich durch die Wertpapierverkäufe am 21. Dezember 2012 von 31.947,42 € auf 29.689,14 € bzw. von 29.689,14 € auf 27.399,21 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Wertpapierabrechnungen und die Erträgnisaufstellung der S (Bl. 113 - 116 d. ESt-Akten, Bd. V, s...