Revision eingelegt (BFH VI R 63/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit bei Eingabeversehen des Sachbearbeiters
Leitsatz (amtlich)
Eine offenbare Unrichtigkeit liegt auch dann vor, wenn aufgrund eines Eingabefehlers des Sachbearbeiters an Stelle eines Betrages von 51 € als Steuerminderung für haushaltsnahe Dienstleistungen ein Betrag von 4.000 € berücksichtigt wird, aus den Erläuterungen zum Bescheid jedoch erkennbar ist, in welcher Höhe die haushaltsnahen Dienstleistungen anerkannt werden sollten. Dies gilt auch dann, wenn der Sachbearbeiter aufgrund einer Nachlässigkeit einem programmgestützten Prüfhinweis nicht nachgegangen ist.
Normenkette
EStG § 35a; AO § 129
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob der formell bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid 2009 vom 6. April 2011 nach § 129 AO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt werden durfte.
Die miteinander verheirateten Kläger gaben in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 (Blatt 5-45 ESt-A) u. a. an, insgesamt rund 278 € für haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne des § 35a Einkommensteuergesetz - EStG - ausgegeben zu haben (Blatt 5 und 19 ESt-A). Hiervon wich der Veranlagungsbeamte insoweit ab, als er die Aufwendungen für die Schornsteinfeger-Rechnung vom 3. Dezember 2008 in Höhe von 26,19 € im Hinblick auf die Erfassung im Vorjahr nicht zum Abzug zuließ, wodurch sich die anzuerkennenden haushaltsnahen Dienstleistungen auf einen Betrag in Höhe von rund 252 € minderten. Im Mantelbogen ist der korrigierte Betrag von 252 € dem handschriftlich gestrichenen Erklärungsbetrag von 278 € vorangestellt (Blatt 19 ESt-A).
In den Erläuterungen des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 6. April 2011 (Blatt 46-50ESt-A) wies der Beklagte auf die Nichtanerkennung der Schornsteinfeger-Rechnung vom 3. Dezember 2008 ausdrücklich hin (Blatt 48 ESt-A). Die tarifliche Einkommensteuer ermäßigte er nach § 35a EStG aber nicht um den korrigierten Betrag von 252 €, sondern um den Betrag von 4.000 € (Blatt 47 ESt-A). Der so ergangene Einkommensteuerbescheid 2009 erwuchs in Bestandskraft.
Aufgrund der "Hinweismitteilung" vom 26. April 2012 (Blatt 52/53 ESt-A) bemerkte der Beklagte, dass er die haushaltsnahen Dienstleistungen um 3.949 € zu hoch bei der Steuerermäßigung berücksichtigte.
Ohne vorherige Anhörung erließ er unter dem Datum vom 11. Mai 2012 - gestützt auf § 129 AO - einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009 und reduzierte darin die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen auf 51 € (= 20 % von 252 €). Dadurch erhöhte sich die festzusetzende Einkommensteuer für 2009 um 3.949 € auf einen Betrag in Höhe von 23.262 € (Blatt 54 ESt-A).
Ihren am 16. Mai 2012 per Fax erhobenen Einspruch (Blatt 58/59 ESt-A) begründeten die Kläger damit, dass die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 129 AO nicht vorliegen würden, da dem Beklagten - entgegen seiner Schilderung des Ablaufes im Schreiben vom 21. Mai 2012 (Blatt 60-62 ESt-A) - kein Eingabefehler oder eine ähnliche Unrichtigkeit unterlaufen seien. Im Hinblick darauf, dass die haushaltsnahen Dienstleistungen im Ausgangsbescheid im Einzelnen geprüft worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die zu Grunde liegenden Rechnungen bei ihrer Eingabe im Einzelnen geprüft worden wären. Selbst wenn eine Freigabe nicht hätte manuell erfolgen müssen, handele es sich um eine nachgelagerte Rechtsentscheidung mit der Folge, dass eine spätere Änderung des Bescheides nach § 129 AO nicht möglich sei (Blatt 63/64 ESt-A).
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 20012 aus folgenden Gründen zurück: Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen seien, könnte das Finanzamt nach § 129 AO jederzeit berichtigen. Die Vorschrift des § 129 AO entspreche dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass die nach außen hin erfolgte Willenserklärung keinen Vertrauensschutztatbestand bilde, wenn der Sinn des Ausgedrückten von dem erkennbar Gewollten abweiche. Das Vertrauen in den Fortbestand des offenbar Unrichtigen sei nicht schutzwürdig. Auf ein Verschulden bei der Verursachung der Unrichtigkeit komme es nicht an. Erforderlich sei auch nicht, dass die Unrichtigkeit für den Steuerpflichtigen ohne weiteres erkennbar sei, sondern dass sie erkennbar während der Produktion des Verwaltungsakts passiert sei und nicht in einem Rechtsirrtum bestehe. Durch die Vorschrift sollten Flüchtigkeitsfehler jeder Art, nicht jedoch Fehler in der Anwendung oder Auslegung einer Rechtsnorm berichtigt werden können. Im vorliegenden Streitfall handele es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die dem Bearbeiter bei der Erfassung der Eingabedaten offensichtlich infolge von Unachtsamkeit, Flüchtigkeit oder Abgelenktheit unterlaufen sei. Dass der Bearbeiter bei der fehlerhaften...