Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG bei Einreichung von Bauunterlagen außerhalb des Förderzeitraums
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit neuen Mietwohnungen nach dem Bauordnungsrecht eines Bundeslandes keine Baugenehmigung erfordert, aber wenn dafür gleichwohl förmliche Bauunterlagen einzureichen sind, so liegt in der Einreichung dieser Unterlagen eine "Bauanzeige" im Sinne des § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG.
2. Erfolgt diese "Bauanzeige" außerhalb des Förderzeitraums nach § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG, kann für diese Mietwohnungen keine Sonderabschreibung beansprucht werden, selbst wenn mit deren Errichtung erst innerhalb des Förderzeitraums begonnen wird.
Normenkette
EStG §§ 7b, 7b Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 15a; LBauO Rheinland-Pfalz §§ 63, 67, 70, 74; BauuntPrüfVO § 7 Abs. 1, 4
Tatbestand
Strittig ist die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 7b EStG zur Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau in zeitlicher Hinsicht.
Die Kläger sind zusammenveranlagte Ehegatten und erzielten im Streitjahr (2019) u. a. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Einkünfte aus Kapitalvermögen, sonstige Einkünfte und - insoweit verfahrensgegenständlich - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Am 23. Juli 2018 gingen bei der zuständigen Verbandsgemeinde X die Bauunterlagen der Kläger für die Freistellung des Bauvorhabens "Neubau 4-Familienwohnhaus auf dem Grundstück …" nach § 67 LBauO ein (Bl. 80 Einkommensteuerakten). Mit Schreiben vom 2. August 2018 (Bl. 113 Einkommensteuerakten) bestätigte die Verbandsgemeinde X den Klägern, dass ihre Bauunterlagen im Freistellungsverfahren nach § 67 LBauO am 23. Juli 2018 eingegangen seien. Weil die Kläger und ihr Architekt dokumentiert hätten, dass die Bestimmungen des Bebauungsplans in vollem Umfang eingehalten würden und weil die Erschließung gesichert sei, bedürfe es keiner Baugenehmigung. Aufgrund dessen könne mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Am 3. August 2018 gingen bei der Kreisverwaltung des Y-Kreises die Bauunterlagen der Kläger für die Freistellung des Bauvorhabens "Neubau 4-Familienwohnhaus auf dem Grundstück …" nach § 67 LBauO ein (Bl. 9 Einkommensteuerakten).
Mit Baubeginnmitteilung vom 27. Oktober 2018 teilte der Kläger der zuständigen Kreisverwaltung mit, dass mit den Bauarbeiten am 5. November 2018 begonnen werde (Bl. 10 Einkommensteuerakten).
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2019 vom 10. September 2021 (Bl. 14 ff. Einkommensteuerakten) erklärten die Kläger Einkünfte im Zusammenhang mit dem vorgenannten, verfahrensgegenständlichen Objekt "…" als Mietobjekt "V+V: 5" und gaben negative Einkünfte hieraus in Höhe von -5.934,00 € an. Diese errechneten sich aus Einnahmen in Höhe von 1.855,00 €, von denen Werbungskosten in Höhe von 7.789,00 € für die reguläre 2%-AfA in Höhe von 799,00 €, für Darlehenszinsen sowie für den Erwerb von Mietverträgen abgezogen waren. Die Kosten für die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Objekts waren mit 478.457,37 € angegeben (Bl. 49 f. Einkommensteuerakten).
Mit Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 20. Oktober 2021 (Bl. 66 ff. Einkommensteuerakten) veranlagte der Beklagte die Kläger - soweit verfahrensgegenständlich - erklärungsgemäß und legte negative Einkünfte aus der Vermietung des vorgenannten Objekts in Höhe von -5.934,00 € zugrunde. Der Bescheid war zwar teilweise vorläufig, stand jedoch nicht gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO), dem Beklagten übersandt durch E-Mail vom 18. November 2021 (Bl. 69 Einkommensteuerakten), beantragten die Kläger - neben einem nicht verfahrensgegenständlichen Streitpunkt - die Berücksichtigung der AfA gemäß § 7b EStG für das neue Vermietungsobjekt gemäß den beigefügten Berechnungen und Unterlagen. Ausgehend von den insgesamt entstandenen Herstellungskosten in Höhe von 479.957,00 € und der maßgebenden Wohnfläche von 372,04 m² ergebe sich ein Herstellungskostenbetrag pro Quadratmeter in Höhe von 1.287,65 €, sodass das Objekt insgesamt förderfähig sei. Der maximale AfA-Satz in Höhe von 5% für das Streitjahr führe daher zu einer zusätzlichen AfA in Höhe von 23.952,90 €, ohne dass eine zeitanteilige Berücksichtigung im Streitjahr zu erfolgen habe (Bl. 70 ff. Einkommensteuerakten).
Mit Ablehnungsbescheid vom 2. Dezember 2021 (Bl. 82 f. Einkommensteuerakten) lehnte der Beklagte die Gewährung der Sonderabschreibung nach § 7b EStG ab. Diese könnte nur beantragt werden, wenn der Bauantrag nach dem 31. August 2018 und vor dem 1. Januar 2022 gestellt bzw. die Bauanzeige innerhalb des vorgenannten Zeitraums getätigt worden seien. Der Bauantrag der Kläger sei allerdings bereits am 23. Juli 2018 und damit verfrüht bei der Kreisverwaltung eingegangen.
Mit Änderungsbescheid vom 10. Dezember 2021 (Bl. 85 f. Einkommensteuerakten) änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Kläger aus nicht verfahrensgegenständlichen Gründen, ohne die negative...