Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Irrtum über die Höhe der durch eine Schenkung anfallenden Steuern
Leitsatz (redaktionell)
1. Weicht die - auf einer entsprechenden Auskunft des Bürovorstehers des Notariats basierende - Vorstellung der Vertragspartner eines Schenkungsvertrages über die Höhe der vom Schenker zu übernehmenden Schenkungsteuer erheblich von tatsächlich anfallenden Steuern ab und war die niedrigere Obergrenze des Steuerbetrages entscheidend für das Zustandekommen des Schenkungsvertrages, so kann durch die höhere Steuerfestsetzung die Geschäftsgrundlage entfallen. Dadurch kann ein Rückforderungsrecht des Schenkers gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entstehen.
2. Ist im Zeitpunkt der Aufhebung des Schenkungsvertrages der ursprünglich rechtmäßige Schenkungsteuerbescheid noch nicht formell bestandskräftig, ist er wegen des rückwirkenden Entfallens der Schenkungsteuer aufzuheben.
Normenkette
ErbStG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückübertragung von zwei zugewendeten Eigentumswohnungen auf einem Rückforderungsrecht des Schenkers beruhte.
Durch notariellen „Übertragungsvertrag“ vom 12. August 1997 übertrug der Kläger zwei im Wohnungsgrundbuch von R Bl. ... und ... eingetragenen Eigentumswohnungen in ... auf seine Nichte ... (M. N.). Eine „Gegenleistung oder Herauszahlung“ hatte die Nichte laut Ziffer 4 der notariellen Urkunde „nicht zu erbringen“. In Ziffer 2 räumte sie jedoch dem Kläger „an dem übertragenen Wohnungseigentum, und zwar an beiden Wohnungen, den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch ein“. Außerdem behielt sich der Kläger laut Ziffer 3 das Recht vor, unter bestimmten in Buchst. a bis f genannten Voraussetzungen von dem Vertrag zurückzutreten. Die mit dem Vertrag verbundenen Kosten „sowie die etwaige Grunderwerb- bzw. Schenkungsteuer“ sollte nach Ziffer 5 des Vertrages der Kläger als Veräußerer tragen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 12. August 1997 Bezug genommen.
Durch Schenkungsteuerbescheid vom 19. März 1999 setzte der Beklagte wegen der Grundstücksübertragung gegen den Kläger Schenkungsteuer von 16.300,-- DM fest, wobei er den Wert des steuerpflichtigen Erwerbs unter Berücksichtigung einer Steuerübernahme von 11.640,-- DM und eines persönlichen Freibetrages von 20.000,-- DM mit abgerundet 108.600,-- DM ansetzte. Zuvor waren durch Bescheide vom 26. Februar 1998 für die beiden Eigentumswohnungen auf den Besteuerungszeitpunkt Grundbesitzwerte von 45.000,-- DM und 72.000,-- DM festgestellt worden. Diese Bescheide sind formell bestandskräftig. Gegen die Schenkungsteuerfestsetzung legte der Kläger mit Schreiben vom 22. März 1999 Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens wurde mit notarieller Urkunde vom 8. April 1989 der Übertragungsvertrag vom 12. August 1997 aufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Umschreibung im Grundbuch bereits erfolgt. Auch in der Urkunde vom 8. April 1999, auf die Bezug genommen wird, heißt es, dass der Kläger die „Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzuges, die Löschungskosten sowie die etwaige Grunderwerb- / Schenkungsteuer trägt“. Überdies wurde „die Nichterhebung bzw. Erstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 GrEStG“ beantragt. Der Beklagte lehnte in der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 1999, mit der er den Einspruch zurückwies, die Berücksichtigung der Vertragsaufhebung bei der Schenkungsteuerfestsetzung ab, wobei er die Voraussetzungen der vom Kläger angeführten Bestimmung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verneinte.
Mit der Klage begehrt der Kläger eine Aufhebung der Schenkungsteuerfestsetzung. Er meint, die Schenkungsteuer sei infolge der Aufhebung des Übertragungsvertrages vom 12. August 1997 rückwirkend entfallen. Dazu trägt er vor, die Rückübertragung der beiden Eigentumswohnungen sei aufgrund eines ihm zustehenden Rückforderungsrechtes erfolgt. Dieses Rückforderungsrecht ergebe sich aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es sei anerkannt, dass auch steuerliche Erwägungen, Vorgänge und Folgen die Geschäftsgrundlage eines Rechtsgeschäfts bilden könnten, sofern sie für den Inhalt des Rechtsgeschäftes eindeutig maßgeblich gewesen seien. Er - der Kläger - habe noch zu seinen Lebzeiten seiner Nichte die Eigentumswohnungen im Weg vorweggenommener Erbfolge schenken und auch die Schenkungsteuer bezahlen wollen. Aus diesem Grunde habe er sich vor der Schenkung mit dem Bürovorsteher des Notariats Sch. unterhalten und von diesem die Auskunft erhalten, dass die Steuerlast wahrscheinlich 3.500,-- DM betragen werde. Über dieses Gespräch mit dem Bürovorsteher habe er sich mit seiner Nichte unterhalten. Diese habe großes Verständnis dafür gehabt, dass er die Schenkung und auch die Übernahme der Schenkungsteuer an die wahrscheinliche Steuerlast von 3.500,-- DM geknüpft habe. Sie habe deshalb in Anwesenheit ihres Ehemannes ausdrücklich erklärt, dass die Schenkung nur dann Bestand haben solle, wenn die Steuerbelastung in etwa den Betrag von 3.500,-- ...