Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten eines Lehrers zu Orchesterproben als Fortbildungskosten
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für Fahrten eines Musiklehrers zu Orchester-proben sind nur dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn ein konkreter Zusammenhang der damit erworbenen Kenntnisse mit der Berufstätigkeit besteht. Dieser konkrete Zusammenhang muss im Einzelfall festgestellt werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen des Klägers für die in seiner Freizeit durchgeführten Fahrten zu Orchesterproben eines Sinfonieorchesters in H (anteilig) beruflich bedingte Fortbildungskosten darstellen und deshalb bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als Werbungskosten abgezogen werden können.
Der Kläger ist Förderschullehrer, die Klägerin ist Studienrätin. Seit 2002 sind sie verheiratet. Mit den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 beantragten sie die gemeinsame Veranlagung und machten als "Fortbildungskosten" des Klägers u.a. folgende Fahrtkosten geltend:
- Fahrten nach H zu Musikproben bzw. Konzerten des Sinfonieorchesters "Musikfreunde H":
- 2005 : 84 Fahrten x 105 km x 0,30 € = 2.646,00 €
- 2006 : 76 Fahrten x 105 km x 0,30 € = 2.394,00 €
- Fahrten (= Hin- und Rückfahrten) zum "Salonorchester W"
- Fahrten (= Hin- und Rückfahrten) zur "Tuttiprobe Sinfonietta" in M
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 17 – 19 und Bl. 81 – 83 der Einkommensteuerakte (ESt-Akte) verwiesen.
Auch die Klägerin machte Fahrtkosten (u.a.) für Fahrten zum Salonorchester W und zu verschiedenen Tuttiproben der "Sinfonietta" als Werbungskosten geltend.
Mit Schreiben vom 08. Oktober 2007 wandte sich der Beklagte an die Kläger und bat um Mitteilung, um welche Art von Fortbildung es sich bei den drei Veranstaltungen (Musikfreunde H, Salonorchester W und Tuttiproben in M) gehandelt habe, verbunden mit der Bitte, entsprechende Unterlagen einzureichen.
Der Kläger erwiderte, er und seine Ehefrau hätten Musik studiert. Ihr Arbeitgeber – das Land – fordere eine stetige Fort- und Weiterbildung im künstlerischen, pädagogischen, methodisch-didaktischen und fachwissenschaftlichen Bereich. Eine künstlerische Weiterbildung könne – außer durch Privatunterricht - nur im Zusammenspiel mit gleichermaßen hoch ausgebildeten Musikern in (semi-) professionellen Ensembles erfolgen. Musikvereine, Spielmannszüge, Laienchöre und -orchester könnten diesem künstlerischen Anspruch nicht gerecht werden. Für die Mitwirkung in den drei Ensembles (Musikfreunde H, Salonorchester W und Sinfonietta in M) hätten sie – die Kläger - keinerlei Honorar bezogen. Falls sie für bestimmte Probe- und Konzerttermine Fahrten doppelt (also für beide Kläger) geltend gemacht hätten, beruhe dies auf einem Versehen, da sie in der Regel gemeinsam in einem Fahrzeug den Probe- bzw. Konzertort aufgesucht hätten.
Die Kläger legten ein Schreiben von Herrn Dr. J. M. - Finanzvorstand des Vereins "Musikfreunde H e.V." (Adresse) - vom 18. November 2007 vor (Bl. 134 der Gerichtsakte), in dem Folgendes ausgeführt wird:
"Sehr geehrter Herr J.,
gerne bestätigen wir Ihnen, dass Sie in unserem Sinfonieorchester unentgeltlich mitwirken. Engagiert nehmen Sie die Gelegenheit wahr, sich derart im Klarinettenspiel – das Sie im Rahmen Ihres musikpädagogischen Studiums in H studiert haben - künstlerisch fort- und weiterzubilden. Das Sinfonieorchester der Musikfreunde H selbst setzt sich aus Studierenden und ehemaligen Studierenden der Universitäten H und M zusammen. Mit der Hochschule für Musik und darstellende Kunst M besteht eine Kooperation, auf deren Grundlage angehende Schulmusiker sowie angehende Dirigenten im Rahmen ihres Examens mit dem Orchester sinfonische Werke sämtlicher Epochen erarbeiten und regelmäßig zur Aufführung bringen. Der Ort für die regelmäßigen Orchesterproben ist H. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen"
Die Kläger legten des Weiteren eine "Bestätigung" des Sinfonietta M – e.V. vor, in der Folgendes ausgeführt wird (Bl. 140 der ESt-Akte):
"Sehr geehrte Frau J., sehr geehrter Herr J.,
(...)
Die Sinfonietta M ist ein semi-professionelles Sinfonieorchester, in dem Studierende der Musik, Musiklehrer und sehr gut ausgebildete Musikerinnen und Musiker große Werke der sinfonischen Literatur mehrmals jährlich zur Aufführung bringen. Es handelt sich um einen Verein, dessen Gemeinnützigkeit anerkannt ist. Das Orchester hat sich zudem zur Aufgabe gemacht, musikpädagogische Projekte (zur Instrumentenkunde, zur Programmmusik und zur sinfonischen Dichtung) in Zusammenarbeit mit Schulen der Region M durchzuführen. Frau J. hat derartige Kooperationsprojekte als Gymnasiallehrerin am Gymnasium G mitentwickelt und begleitet. Frau J. und Herrn J. dient die Mitwirkung einerseits der künstlerischen Fortbildung im Trompetenspiel bzw. Klarinettenspiel, andererseits der Ausgestaltung und Ausarbeitung musikpädagogischer Kooperationsprojekte mit den betreffenden Schulen. Frau J. und Herr J. spielen seit Jahre...