Rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage des Nachweises des physischen Gelangens von Fahrzeugen in das übrige Gemeinschaftsgebiet
Leitsatz (amtlich)
Im Einzelfall kann durch eine zeitnahe Zulassung eines Fahrzeuges im übrigen Gemeinschaftsgebiet der Nachweis erbracht werden, dass das Fahrzeug in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurde und damit die objektiven Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1b, § 6a Abs. 1 S. 1; UStDV § 17a Abs. 1, § 17c Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen von steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen in den Streitjahren 1999 und 2000.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit VW- und Audi-Kraftfahrzeugen, Originalteilen für diese Fahrzeugtypen sowie Zubehörteile aller Art, Handel mit Gebrauchtfahrzeugen und der Betrieb einer Kfz-Reparaturwerkstätte. Zur Unternehmensgruppe gehören weitere Niederlassungen und Gesellschaften. Der Umsatz der Klägerin belief sich in den Streitjahren auf rund 50 Millionen DM pro Jahr. Hiervon wurden innergemeinschaftliche Lieferungen im Jahr 1999 in Höhe von 603.198 DM und im Jahr 2000 in Höhe von 1.127.473 DM an verschiedene Abnehmer getätigt, die die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen als steuerfrei behandelte (Bl. 3R und Bl. 13R d. Umsatzsteuerakte). Die Fahrzeugbestellung erfolgte in den überwiegenden Fällen per Fax. In allen Fällen wurden die Fahrzeuge vom jeweiligen Käufer oder von einer von ihm beauftragten Person bei der Klägerin in L abgeholt. Die Veranlagung erfolgte zunächst wie erklärt (Bl. 6 und Bl. 15 d. Umsatzsteuerakte).
Am 5. April 2001 erfolgte eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Zeiträume 1999 und Januar bis März 2000. Der Prüfungsumfang beschränkte sich auf die Prüfung der innergemeinschaftlichen Lieferungen. Die Umsatzsteuersonderprüfung führte zu keiner Änderung der erklärten Besteuerungsgrundlagen (Bl. 128 f. d. PrA.).
Zusätzlich erfolge durch das Bundesamt für Finanzen eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Zeiträume Juli bis September 2000 und November 2001. Die Prüfung wurde am 2. Februar 2005 mit einem vertraulichen internen Zwischenbericht abgeschlossen (Bl. 276 d. Rechtsbehelfsordners). Ein Prüfungsbericht wurde nicht erstellt; die Feststellungen wurden im Rahmen der regulären Betriebsprüfung für den Zeitraum 1999 bis 2002 berücksichtigt.
Aufgrund der Prüfungsanordnungen vom 19. Januar 2004 und 28. Januar 2004 führte der Beklagte für die Jahre 1999 bis 2002 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Die Prüfung der innergemeinschaftlichen Lieferungen erfolgte durch die Umsatzsteuer-Prüfgruppe und in Absprache mit der Oberfinanzdirektion als Mitprüfer im Rahmen der Großbetriebsprüfung des Finanzamtes L. Die Prüfungsfeststellungen wurden Teil des Abschlussberichts der durchgeführten Groß-Betriebsprüfung vom 7. Oktober 2005 (Bl. 129 ff. und Bl. 181 ff. d. PrA.).
Nach den Prüfungsfeststellungen konnte die Klägerin für das Streitjahr 1999 für eine Vielzahl und für das Streitjahr 2000 für alle als steuerfrei behandelten innergemeinschaftlichen Fahrzeuglieferungen den Buch- und Belegnachweis nicht erbringen. Insbesondere fehlte es nach den Prüfungsfeststellungen am Verbringungsnachweis. Der Prüfer versagte in der Folge die Steuerfreiheit für Fahrzeuglieferungen im Jahr 1999 im Wert von 520.115,18 DM (Bl. 57 d. PrA.) und im Jahr 2000 im Wert von 1.487.981,05 DM (Bl. 186 d. PrA.). Da die Klägerin ausweislich des Prüfungsberichts mehr innergemeinschaftliche Lieferungen tätigte, als sie in ihrer Umsatzsteuererklärung erfasst hatte, erfolgte die jeweilige Kürzung des Umsatzsteuersonderprüfers betragsmäßig nur bis "0". Dadurch ergab sich eine Differenz zu den als steuerpflichtig behandelten Umsätzen (Bl. 140 d. PrA.). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Betriebsprüfungsbericht vom 7. Oktober 2005 (Bl. 53 d. PrA.) verwiesen, die auch eine Auflistung der einzelnen streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen enthält (Bl. 57f. d. PrA.).
Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1999 und 2000 mit jeweiligem Bescheid vom 4. August 2006 (Bl. 9 d. Umsatzsteuerakte und Bl. 19 d. Umsatzsteuerakte) nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Mit Schreiben vom 25. August 2006 legte die Klägerin gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide Einspruch ein (Bl. 1 d. Rechtsbehelfsordners). Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte sie mit Schreiben vom 12. September 2008 auszugsweise Kopien der Öffentlichen Fahrzeugregister der Provinzen B/Spanien und B/Italien für eine Vielzahl der nach Spanien und Italien gelieferten Fahrzeuge vor (Bl. 142 bis 255 d. Rechtsbehelfsordners). Für die übrigen Länder, insbesondere Frankreich, wies sie auf bereits eingeleitete vergleichbare Ermittlungsmaßnahmen hin, die noch nicht abgeschlossen seien (Bl. 85 d. Rechtsbehelfsordners). Der Beklagte wi...