Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachforderung von Abzugssteuer (Körperschaftsteuer 1990)
Tenor
I. Der Nachforderungsbescheid vom 9. November 1994 zur Abzugssteuer (Körperschaftsteuer 1990) und die Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1996 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der ausländische Betreiber eines Rundfunksatelliten mit den von einem inländischen Fernsehveranstalter gezahlten Vergütungen dem deutschen Steuerabzug für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften unterliegt. Dabei ist vor allem strittig, ob die Vereinbarung zwischen dem Satellitenbetreiber und dem Fernsehveranstalter als Transponder-(Satelliten-)Nutzungsvertrag oder als Signal-(Programm-)Übertragungsvertrag zu werten ist.
Die Klägerin ist eine 1985 gegründete Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung im Großherzogtum Luxemburg. An ihrem Kapital sind zu 2/3 Bank-, Kommunikations- und andere Unternehmen aus mehreren europäischen Staaten, darunter die Deutsche Telekom AG, und zu 1/3 öffentlich-rechtliche Finanzinstitute aus Luxemburg beteiligt. Die Klägerin betreibt gegenwärtig unter der Bezeichnung „ASTRA” sechs geostationäre Rundfunksatelliten im kurzwelligen Hochfrequenzbereich ab 10 Gigahertz (GHz), und zwar die analog übertragenden Satelliten Astra 1A bis 1D. und die digital übertragenden Satelliten Astra 1E und 1F. Die Satelliten versorgen über 10 Mio. Haushalte im deutschsprachigen Bereich mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen. Die Klägerin hat bis Ende 1996 umgerechnet rd. 2 Mrd. DM in die Satelliten im Weltraum, rd. 320 Mio. DM in die Bodenstation (Erdefunkstelle) in Betzdorf sowie rd. 770 Mio. DM in künftige Satelliten investiert (vgl. S. 7, 16, 21, 26 des Geschäftsberichts für 1996, Bl. 104 der Prozeßakte = PA). Nach heutigen Preisen kostet ein betriebsbereiter Satellit 200 bis 300 Mio. US–$, wovon rd. 100 Mio. US–$ auf den Satelliten selbst, rd. 100 Mio. US–$ auf die Trägerakete für den Transport in den Weltraum und bis zu 25 v.H. dieser Aufwendungen auf die Versicherung für Transport und Betrieb entfallen.
Die Astra-Satelliten, darunter der 1988 gestartete Satellit 1A, verbleiben in der Koposition 19,2 Grad Ost in einer Umlaufbahn von 35.870 km Höhe über demselben Punkt der Erdoberfläche, nämlich dem Äquator in Zaire. Sie leuchten West- und Mitteleuropa aus.
Der Satellit Astra 1A besteht – ebenso wie die weiteren Astra-Satelliten, vergleichbar mit anderen Nachrichtensatelliten – aus einem sog. Satellitenbus, zwei Parabolantennen zum Zwecke des Empfangens und Sendens sowie zwei Sonnenpaddeln zur Stromerzeugung (vgl. Abbildungen auf S. 5 f des Geschäftsberichts 1996, Bl. 107 PA). Der Satellitenbus enthält neben den Vorrichtungen zur Fernsteuerung wie Rückstoßdüsen und Treibstofftanks – die der Beibehaltung der Sollposition dienen und deren Volumen die Lebensdauer des Satelliten begrenzt – die nachrichtentechnischen Einrichtungen, die sog. Transponder oder Kanäle (vgl. Astra-Schaubilder: Bl. 63 f des Bandes 3 der Kapitalertragsteuerakten = StA 3; Bl. 103 PA; Schaubild des Fernmeldesatelliten Intelsat V bei Mahner, Nachrichtensatelliten in: Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, hrsg. von Schriever und Schuh, Band K–O, 1980, –S. 2970, 2974, Bl. 184 PA). Diese Einrichtungen umfassen die Empfänger, die Eingangs-Demultiplexer, die eigentlichen Transponder mit den sog. Wanderfeldröhren und die Ausgangs-Multiplexer (vgl. die Astra-Schaltpläne, Bl. 64 f PA; den Schaltplan für Intelsat V bei Mahner a.a.O. S. 2975, Bl. 185 PA; sowie die Schaltpläne in infosat, Sat-Empfang, Nr. 1/96 S. 79 ff, Bl. 60 ff PA). Die in einem Frequenzband empfangenen elektromagnetischen Wellen, die sog. Signale, werden auf ein anderes Frequenzband umgesetzt (Empfänger), in einzelne Transponder-Frequenzen aufgeteilt (Demultiplexer), in den Wanderfeldröhren durch die Wechselwirkung mit dem Elektronenstrahl der Röhre verstärkt (vgl. Schnittzeichnung Bl. 63 PA) und schließlich zur Abstrahlung wieder zu einem Frequenzband zusammengefaßt (Multiplexer). Die Einrichtungen sind zum Teil mehrfach vorhanden oder nutzbar. So treten bei Astra 1A zu den Transpondern (Kanälen) 1 bis 16 die redundanten Systeme S1 bis S6 (vgl. Schaltplan Bl. 65 PA). Zur Vermeidung von Störungen benutzt die Aufwärts Strahlung einen anderen Frequenzbereich als die Abwärtsstrahlung.
Durch eine „Vereinbarung” vom 5./11. Juli 1990 in deutscher Sprache mit acht Anlagen (Bl. 36 PA; Anlage VI: Vergütung, Bl. 102 PA; Anlage VIII: Konzessionsvertrag, Auszug Bl. 85 PA), die bis heute nicht geändert worden ist, haben die Klägerin und X die „Nutzung eines Transponders” auf dem Satelliten Astra 1A zur „Verbreitung” eines „Fernsehprogramms”, nämlich des...