Leitsatz
1. Eine vGA i.S.d. § 8a KStG 2002 führt im Zeitpunkt der Leistung der Fremdkapitalvergütungen zu einem Beteiligungsertrag des Anteilseigners i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG 2002 (Bestätigung des BMF, Schreiben vom 15.07.2004, BStBl I 2004, 593, dort Tz. 11 ff.).
2. Von den Fremdkapitalvergütungen ist im Zeitpunkt der Leistung gem. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 EStG 2002 KapESt einzubehalten und abzuführen (ebenfalls Bestätigung des BMF-Schreibens vom 15.07.2004, BStBl I 2004, 593, dort Tz. 5).
3. Es ist schuldhaft i.S.v. § 44 Abs. 5 S. 1 letzter Halbs. EStG 2002, wenn der abführungsverpflichtete Kapitalnehmer wegen bestehender Ungewissheiten über die Rechtswirkungen des § 8a KStG 2002 auf Anteilseignerebene von der ordnungsgemäßen Einbehaltung und Abführung der KapESt absieht. Der Kapitalnehmer kann deswegen gem. § 167 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 S. 3 EStG 2002 durch Nachforderungsbescheid des FA in Anspruch genommen werden (Anschluss an Senatsurteil vom 13.09.2000, I R 61/99, BFH/PR 2001, 50, BFH/NV 2001, 265).
Normenkette
§ 8a KStG 2002, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 5 S. 1 und 3 EStG 2002
Sachverhalt
Gesellschafterin der Klägerin, einer Bank, war mit einer Beteiligung von mehr als 25 % eine Gebietskörperschaft (Z). Stille Beteiligte der Bank war die Z-Beteiligungsgesellschaft, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Z. Im Streitjahr 2005 leistete die Bank an die Z-Beteiligungsgesellschaft Abschlagszahlungen auf die Gewinnbeteiligungen aus der stillen Beteiligung. Sie zeigte dies dem FA an und erklärte, keine KapESt einbehalten, angemeldet und abgeführt zu haben; entgegen dem BMF-Schreiben vom 15.07.2004 (BStBl I 2004, 593, dort Tz. 5 und 11ff.) habe die Z keine kapitalertragsteuerpflichtigen Einnahmen gem. § 8a KStG a.F. vereinnahmt.
Das FA folgte dem nicht und setzte gegen die Klägerin KapESt fest. Die Zahlungen stellten vGA gegenüber der Z dar.
Die anschließende Klage blieb in der Sache erfolglos (FG Hamburg, Urteil vom 09.03.2007, 6 K 181/05, Haufe-Index 1718181).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Umqualifizierung der Fremdkapitalvergütungen in Gestalt der geleisteten Abschlagszahlungen auf die stillen Gewinnbeteiligungen in fiktive vGA seien erfüllt; die Ansprüche seien abhängig vom Unternehmenserfolg der Bank.
Die Umqualifizierung schlage auch auf die Gesellschafterebene durch, obschon es bei § 20 EStG an einer korrespondierenden ausdrücklichen Umqualifizierungsfiktion fehle. Es sei jedoch systemgerecht und werde auch tatbestandlich ermöglicht, die Konsequenzen aus der Umqualifizierung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft unbeschadet des kapitalistischen Trennungsprinzips auf der Anteilseignerebene zu ziehen.
Folglich werde auch KapESt ausgelöst. Sehe die Klägerin davon ab, diese einzubehalten und abzuführen, sei ihre Inanspruchnahme als Haftende gerechtfertigt.
Hinweis
Das Grundsatzurteil betrifft das nur kurze Dasein des § 8a KStG a.F., also die Umqualifizierung von Fremdkapitalvergütungen in vGA bei Kapitalgesellschaften, und die Auswirkung dieser Umqualifizierung auf die Empfängerebene:
1."Strahlt" die Fiktion der vGA auf der Gesellschaftsebene auf die Ebene des Gesellschafters aus? Kommen bei Letzterem mithin Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG an? Und lösen diese Kapitalertragsteuer aus?
An jener Ausstrahlung lässt sich zweifeln (s. auch unten 4.). Denn die Umqualifizierungsregelung des § 8a KStG a.F. findet auf der Ebene des Gesellschafters kein ausdrückliches gesetzliches Pendant. Und da es keine "echte" materielle Korrespondenz der beiden Ebenen gibt (siehe aber jetzt auch § 8b Abs. 1 S. 3 ff. KStG n.F.), muss die Fiktion hier keineswegs als Fiktion dort durchschlagen.
Der BFH bejaht ein derartiges "Durchschlagen" dennoch: Wenn der Gesetzgeber kraft Fiktion oder "Bestimmung" eine Betriebsausgabe zur "unechten" vGA anordnet, dann ist diese Anordnung auf allen Ebenen "durchzuhalten". § 20 Abs. 1 S. 2 EStG ermöglicht dies, weil der dortige Tatbestand der vGA "offen" formuliert ist. Er ist zwar in ständiger Rechtsprechung durch ein eigenständiges, von § 8 Abs. 3 S. 2 KStG abzugrenzendes Regelungsverständnis und eigene begriffliche Vorgaben geprägt. Jedoch werden diese Vorgaben durch die gesetzliche Anordnung in § 8a KStG a.F. "ersetzt". Das entspricht dem Regelungstelos (weil es andernfalls genügt hätte, bloß die Nichtabziehbarkeit der Vergütungen als Betriebsausgaben anzuordnen), ist wegen des erwähnten "offenen" Tatbestands der vGA in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG möglich, "denkt" das Erfordernis der objektiven Vorteilseignung als Merkmal der vGA in § 8 Abs. 3 S. 2 KStG "zu Ende" und entspricht nicht zuletzt insgesamt der Regelungssystematik und der "Einheit der Rechtsordnung".
So gesehen kommt es weder darauf an, ob die Vergütung bei isolierter Würdigung "gesellschaftlich" veranlasst ist, noch schadet es, dass ein Zufluss beim Gesellschafter fehlt. Und schließlich bedarf es diesem gegenüber auch keine...