Erstmals musste sich der EuGH mit der Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung im Jahr 2005 befassen, als mit dem Urteil in der Rs. Marks & Spencer die lange Reise der Rechtsprechung zu den finalen Verlusten begann.
Während es i.R.d.
- ersten Urteils zuerst nur um die Konstellation zweier Kapitalgesellschaften ging,
- wurde im Jahr 2008 die Thematik der finalen Verluste mit dem Urteil in der Rs. Lidl Belgium auf gebietsfremde Betriebsstätten ausgeweitet.
Die Übertragung der Rechtsprechung auf Betriebsstätten: Die Rechtsprechung zur Verrechnungsmöglichkeit von finalen Verlusten wurde demnach auch für Konstellationen zugänglich, in denen ein gebietsansässiges Unternehmen
- neben seinem Betrieb im Inland
- auch eine Betriebsstätte in einem anderen EU-Mitgliedstaat
unterhielt.
Der BFH folgte der Rechtsauffassung des EuGH und entschied, dass ein Abzug von Verlusten aus dem Quellenstaat ausnahmsweise möglich sei, wenn diese Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar – also final – sind.
1. Timac Agro – Die Zäsur
Die Rs. Timac Agro führte im Jahr 2015 dann zu einer Zäsur in der bis dahin ergangenen Rechtsprechung zu den finalen Verlusten. Maßgebend zur Feststellung einer unzulässigen grundfreiheitlichen Beschränkung ist die objektive Vergleichbarkeit, da
- nur in zwei vergleichbaren Situationen
- eine Gleichbehandlung geboten sein kann.
EuGH verneint nunmehr nötige Vergleichbarkeit: In der Rs. Timac Agro ging der EuGH jedoch davon aus, dass die nötige Vergleichbarkeit zwischen gebietsfremden und gebietsansässigen Betriebsstätten nicht bestehe, wenn aufgrund eines DBA
- die Besteuerung dem Betriebsstättenstaat zustehe und
- der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch Freistellung zu vermeiden habe.
In den Jahren bis dahin sah sich der BFH – im Nachgang zu der ursprünglichen EuGH-Rechtsprechung – immer wieder mit der Verrechnungsmöglichkeit ausländischer finaler Verluste konfrontiert. Bis zum Jahr 2017 war der BFH aufgrund der EuGH-Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Abzugsmöglichkeit finaler Verluste unionsrechtlich geboten sei.
Reaktion des BFH in 2017 auf das EuGH-Urteil in der Rs. Timac Agro: Auf Grundlage des EuGH-Urteils in der Rs. Timac Agro erging im Jahr 2017 jedoch ein Urteil des BFH, in welchem der I. Senat davon ausging, dass
- sich die EuGH-Rechtsprechung – betreffend die finalen Verluste – gewandelt habe und
- Teile der bisherigen BFH-Rechtsprechung zu finalen Verlusten somit nicht mehr anwendbar seien.
Keine weitere Klärung durch den EuGH: Die Voraussetzungen für eine (nochmalige) Vorlage zur Vorabentscheidung des EuGH waren im Streitfall nach Auffassung des BFH nicht erfüllt, so dass es zu keiner weiteren Klärung kam. Nach damaliger Auffassung war im Ergebnis eine Berücksichtigung von Verlusten aus EU-Freistellungsbetriebsstätten ab diesem Zeitpunkt – unabhängig von der "Finalität" der Verluste – nicht mehr möglich.
2. Bevola – Die Klarstellung
Distanzierung von Entscheidung zur Rs. Timac Agro: Mit Urteil vom 12.6.2018 entschied der EuGH in der Rs. Bevola, dass Mitgliedstaaten weiterhin verpflichtet sind, Verluste einer EU-Freistellungsbetriebsstätte zu berücksichtigen, wenn die Verluste final i.S.d. Marks-&-Spencer-Rechtsprechung sind. Damit distanzierte sich der EuGH von seinen teilweise missverstandenen Aussagen in der Entscheidung zur Rs. Timac Agro.
Der EuGH ging zwar weiterhin davon aus, dass sich gebietsfremde und gebietsansässige Betriebsstätten nicht in einer vergleichbaren Situation befänden. Beachten Sie: Dies sei aber nicht der Fall, wenn
- es sich um finale Verluste handele und
- so die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung nicht gegeben sei.
In einem solchen Fall wäre die Vergleichbarkeit gegeben und mangels angemessener Rechtfertigung ein Verlustabzug möglich. Beachten Sie: Entscheidend war hierbei, dass der Verlustabzug durch eine nationale Regelung versagt wurde.
Der EuGH wies darauf hin, dass die Vergleichsbarkeitsprüfung darauf basiere, dass die Vergleichbarkeit
- eines grenzüberschreitenden Sachverhalts
- mit einem innerstaatlichen Sachverhalt
unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen sei.
Das BFH-Urteil v. 22.2.2017 kann somit zumind...