Mehrheit der Stimmrechte: Für die finanzielle Eingliederung ist auf die "Mehrheit der Stimmrechte" abzustellen. Da es insofern auf die gesellschaftsrechtlichen Regelungen ankommt, reicht grundsätzlich die einfache Mehrheit der Stimmrechte aus. Sofern dies nicht mit einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verbunden ist, wird die erforderliche Stimmenmehrheit grundsätzlich auch nicht durch schuldrechtliche Vereinbarungen über die Stimmrechte – wie Stimmbindungsverträge und Stimmrechtsvollmachten – beeinflusst. Beachten Sie: Dies folgt insbesondere daraus, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes allein die Stimmrechte "aus den Anteilen" maßgebend sind.
Ausweitung auf (höhere) qualifizierte Mehrheit lt. Satzung: Sieht die Satzung der Organgesellschaft für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung eine (höhere) qualifizierte Mehrheit vor, muss der Organträger aber zumindest in denjenigen Fällen, in denen die qualifizierte Mehrheit generell erforderlich ist,
- nicht nur über eine einfache Mehrheit,
- sondern über eine entsprechend qualifizierte Mehrheit
der Stimmrechte verfügen, um die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung zu erfüllen.
Beispiel 9
An der T-GmbH sind beteiligt:
- M-GmbH mit 79,8 % (Anteile und Stimmrechte),
- natürliche Person X mit 10 % (Anteile und Stimmrechte),
- natürliche Person Y mit 10,2 % (Anteile und Stimmrechte).
Für die Gesellschaftsbeschlüsse sind generell 91 % der Stimmen erforderlich.
Lösung: Die T-GmbH ist nicht finanziell eingegliedert in die M-GmbH, da die M-GmbH nicht mindestens 91 % der Stimmrechte besitzt.
Kapitalmäßige Verflechtung: Zwar könnte der Wortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG ("Mehrheit der Stimmrechte") dafür sprechen, entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Grundnormen in jedem Fall eine einfache Mehrheit der Stimmrechte ausreichen zu lassen. Beachten Sie: Nach der Begründung des Gesetzentwurfs hat der Gesetzgeber aber bewusst auf die Mehrheit der Stimmrechte und nicht auf die Mehrheit der Anteile abgestellt, da es bei dem Kriterium der finanziellen Eingliederung
- um eine kapitalmäßige Verflechtung zwischen Organträger und Organgesellschaft gehe,
- die den Organträger in die Lage versetze, tatsächlich das Geschehen in der Organgesellschaft zu bestimmen.
Willen durch Mehrheitsbeschluss durchsetzen: Vor diesem Hintergrund kann die BFH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft herangezogen werden. Dort setzt die finanzielle Eingliederung grundsätzlich voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein muss, dass er seinen Willen in der Gesellschafterversammlung durch Mehrheitsbeschluss durchsetzen kann. Der BFH hat in dem Urteil v. 10.5.2017 – I R 51/15 für die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft ebenfalls darauf abgestellt, ob der Organträger durch die Stimmrechte seinen auf die Organgesellschaft bezogenen Geschäftsleitungswillen durchsetzen kann. Demnach sind auch von den Mehrheitserfordernissen des § 133 Abs. 1 AktG und des § 47 Abs. 1 GmbHG abweichende Satzungsbestimmungen zu berücksichtigen.
Beraterhinweis Die neuere BFH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, wonach eine Willensdurchsetzung auch bei nur 50 % der Stimmrechte möglich sei, beruht dagegen auf einer Gesamtbetrachtung von finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Eingliederung, die nicht auf die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft übertragbar ist.
Qualifizierte Mehrheitserfordernisse = kein Widerspruch zur Steuervereinfachung: Den Ausführungen bzgl. der qualifizierten Mehrheitserfordernisse kann nicht entgegengehalten werden, dass die Maßgeblichkeit einer qualifizierten Mehrheit
- dem Ziel der Steuervereinfachung durch Verzicht auf die Voraussetzungen der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung widerspreche und
- den Beherrschungsgedanken der organisatorischen Eingliederung in die finanzielle Eingliederung hineinlese.
Hierfür ist entscheidend, dass die finanzielle Eingliederung allein die Möglichkeit der Gesellschafter zur Durchsetzung ihres Geschäftsleitungswillens betrifft, während es bei der organisatorischen Eingliederung um die Sicherstellung der tatsächlichen Einflussnahme auf die Geschäftsführung geht. Letzteres geht über die Durchsetzbarkeit des Geschäftsleitungswillens durch Ausübung der Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung hinaus, so dass es nicht zu einer Wiedereinführung des Gedankens der organisatorischen Eingliederung kommt, wenn i.R.d. finanziellen Eingliederung auf die qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte abgestellt wird.
Vermutung der Abhängigkeit: Auch § 17 Abs. 2 AktG steht den Ausführungen nicht entgegen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass § 17 Abs. 2 AktG für den Fall der Mehrheitsbeteiligung eine Abhängigkeit lediglich vermutet. Diese Vermutung kann u.a. durch qualifizierte Mehrheitserfordernisse in der Satzung widerlegt werden. Außerdem reicht es für die Durchsetzbarkeit des Geschäftsleitungswillens bei der Organgesellschaft nicht au...