Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Rainer Bonn
Im Gegensatz zum Kapitalfreisetzungseffekt, bei dem eine geplante Kapazität lediglich aufrechterhalten wird, wird beim Kapazitätserweiterungseffekt (auch Lohmann-Ruchti-Effekt genannt) unterstellt, dass die freigesetzten Mittel sobald als möglich wieder in identische Objekte investiert werden. Im Rahmen des Kapazitätserweiterungseffekts soll die Kapazität maximiert werden, wobei über das ursprüngliche Kapital hinaus kein weiteres Kapital der Unternehmung zugeführt wird. Die Kapazitätsmaximierung wird nur mithilfe der durch die Abschreibungen freigesetzten Mittel vorgenommen.
Beispiel: Kapazitätserweiterungseffekt
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Phase des Kapazitätsaufbaus |
Reinvestitionsphase |
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1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
Maschine 1 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
Maschine 2 |
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30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
Maschine 3 |
|
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30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
Maschine 4 |
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|
30.000 |
30.000 |
30.000 |
30.000 |
gesamte Jahresabschreibung |
30.000 |
60.000 |
120.000 |
120.000 |
120.000 |
120.000 |
gesamte aufgelaufene Mittel |
30.000 |
90.000 |
120.000 |
150.000 |
180.000 |
120.000 |
Reinvestitionen (Anz. der Maschinen) |
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1 |
1 |
1 |
2 |
1 |
Reinvestitionen (Betrag) |
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90.000 |
90.000 |
90.000 |
180.000 |
90.000 |
Kapitalfreisetzung |
30.000 |
0 |
30.000 |
60.000 |
0 |
30.000 |
Im ersten Jahr wird eine Abschreibungsrate in Höhe von 30.000 EUR fällig. Dieser Betrag ist zu niedrig, um eine neue Maschine zu erwerben. Im zweiten Jahr können 60.000 EUR für zwei Maschinen abgeschrieben werden. Die gesamten angelaufenen Mittel ergeben in der Summe 90.000 EUR, sodass die Anschaffung einer zusätzlichen Maschine möglich ist. Zu Beginn des dritten Jahres können sowohl die für diesen Zeitpunkt geplante dritte Maschine als auch eine vierte Maschine, deren Kauf allein durch die freigesetzten Mittel möglich wird, angeschafft werden. Der Kauf der vierten Maschine kann ausschließlich aus den Abschreibungsgegenwerten finanziert werden, wodurch sich die Kapazität um eine Maschine gegenüber der ursprünglichen Kapazität erhöht.
Im dritten Jahr wird eine Abschreibungssumme in Höhe von 120.000 EUR ausgewiesen. Diese Mittel reichen aus, um Maschine 1 zu ersetzen, deren Nutzungsdauer abgelaufen ist. Die verbleibende Kapitalfreisetzung beträgt 30.000 EUR. Da im vierten Jahr wieder 120.000 EUR abgeschrieben werden, besitzt die Unternehmung insgesamt Mittel in Höhe von 150.000 EUR, die die Reinvestition von Maschine 2 ermöglichen. Die Kapitalfreisetzung wächst im vierten Jahr auf 60.000 EUR an. Im fünften Jahr endet die Nutzungsdauer von zwei Maschinen. Über die aufgelaufenen Mittel in Höhe von 180.000 EUR kann die Ersatzbeschaffung der beiden Maschinen finanziert werden, sodass weiterhin die Kapazität von vier Maschinen aufrechterhalten bleibt.
Das Beispiel zum Kapazitätserweiterungseffekts zeigt auf, dass die Kapazität ausschließlich aus den verdienten Abschreibungen erhöht werden kann. Die freigesetzten Mittel werden reinvestiert, sobald sie zur Anschaffung einer Maschine ausreichen. Bis dies der Fall ist, können die freigesetzten Mittel auch anderweitig eingesetzt werden. Daher geht mit dem Kapazitätserweiterungseffekt meist auch ein Kapitalfreisetzungseffekt einher, der in der Regel jedoch weniger ausgeprägt auftritt als bei konstanter Kapazität.
Eine Verstärkung des Kapazitätserweiterungseffekts kann erreicht werden, wenn die Anlagen länger genutzt werden als ihre Abschreibungsdauer ist, degressive Abschreibungsmethoden verwendet werden oder die Reinvestitionen nicht nur am Ende eines Jahres stattfinden, sondern ständig vorgenommen werden.
Literaturhinweis
Hölscher/Helms, Investition, Finanzierung und Steuern, 2. Aufl. 2017.