Leitsatz
Werden die von einem Versicherungsmakler für Rechnung der Versicherungsgesellschaften vereinnahmten Versicherungsbeiträge (durchlaufende Posten) abredewidrig für private Zwecke verwendet und die Auskehrungsverbindlichkeiten in Vereinbarungsdarlehen umgeschuldet, sind die hierfür entrichteten Zinsen sowie die angefallenen Finanzierungsnebenkosten keine Betriebsausgaben.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3, § 4 Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Die klagende Ehegatten-OHG ist Versicherungsmaklerin, die auch das Inkasso der Versicherungsprämien übernimmt. Die Ehegatten hatten Prämien i.H.v. ca. 2 Mio. DM nicht bei den Versicherungen abgerechnet, sondern für private Zwecke verwendet. Diese Veruntreuung fiel später auf und es kam zu einer Vereinbarung, wonach die OHG und die Ehegatten die veruntreuten Beträge als verzinsliches Darlehen ratenweise an die Versicherungen zu zahlen hatten. Die Zinsen behandelte die OHG als Betriebsausgaben.
Das FA sah die Zinsen als außerbetrieblich veranlasst an und behandelte sie als Entnahme. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem FG keinen Erfolg (FG Berlin, Urteil vom 12.09.2005, 8 K 6060/02, Haufe-Index 1849570).
Entscheidung
Auch die Revision blieb erfolglos. Darlehenszinsen seien betrieblich veranlasst, wenn das Darlehen für betriebliche Zwecke verwendet worden sei. Es könne offen bleiben, ob die Versicherungsprämien zunächst wirtschaftliches Eigentum der OHG geworden seien. Selbst wenn das unterstellt werde, sei das Darlehen an die Stelle der dann bestehenden Weiterleitungsverpflichtung getreten, die bei der außerbetrieblichen Verwendung des Geldes ebenfalls ins Privatvermögen übergegangen sei. Die Versicherungsprämien seien ein durchlaufender Posten, was zu einer Verklammerung der Geldmittel und der Weiterleitungsverpflichtung führe.
Hinweis
1. Die zunächst einfach erscheinende Formel, dass die Zuordnung eines Darlehens zum Betriebs- oder Privatvermögen der Verwendung der Darlehensvaluta folgt, kann im Einzelfall doch zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen. Im Besprechungsfall war zu entscheiden, ob die Verpflichtung zur Zahlung veruntreuter Gelder an einen Geschäftspartner betrieblich oder außerbetrieblich veranlasst ist. Der BFH vertritt hierzu die Auffassung, dass die Zuordnung der Zahlungsverpflichtung davon abhängt, ob die veruntreuten Gelder für betriebliche oder außerbetriebliche Zwecke verwendet worden sind. Es kommt also nicht darauf an, dass zu dem Geschädigten betriebliche Verbindungen bestehen.
2. Werden Geldmittel aus dem Vermögen des Geschädigten veruntreut und zu privaten Zwecken verwendet, entsteht die Rückzahlungsverpflichtung unmittelbar im Privatvermögen des Schädigers.
Etwas komplizierter ist die Rechtslage, wenn sich die Geldmittel im Vermögen des Schädigers befinden und der Geschädigte nur Zahlungsansprüche gegen den Schädiger hat. Geldmittel und Zahlungsverpflichtung sind dann zunächst Betriebsvermögen. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn die veruntreuten Gelder für den Schädiger durchlaufende Posten sind.
Bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung sind durchlaufende Posten nach § 4 Abs. 3 S. 2 EStG weder Betriebseinnahme noch Betriebsausgabe. Für Bilanzierende gibt es keine solche Vorschrift. Die Rechtslage ist deshalb anders, weil der vereinnahmte Betrag zunächst in das Vermögen des Unternehmers übergegangen ist und deshalb nach §§ 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB vom Unternehmer bilanziert werden muss. Der betreffende Aktivposten wird dann durch einen Passivposten für die Weiterleitungsverpflichtung ergänzt, so dass keine Gewinnauswirkung eintritt. Der in § 4 Abs. 3 S. 2 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass beide Positionen eng miteinander verbunden sind, gilt aber auch bei der Bilanzierung; Aktiv- und Passivposten haben dasselbe Schicksal. Wird also der Aktivposten entnommen, geht auch der Passivposten ins Privatvermögen über. Dementsprechend erfüllt derjenige, der durchlaufende Gelder für private Zwecke verwendet, eine private Schuld, wenn er nach Aufdeckung der Veruntreuung Leistungen an den Berechtigten erbringt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.05.2008, IV R 25/07