5.1 Überblick
Als Finanzderivate definiert IFRS 9.A Finanzinstrumente,
- deren Wert sich infolge einer Änderung eines (Referenz-)Zinssatzes, Wertpapierkurses, Rohstoffpreises, Wechselkurses, Indexes oder einer ähnlichen Variablen verändert,
- wobei verglichen mit sonstigen Verträgen, die in ähnlicher Weise auf Änderungen der Marktbedingungen reagieren, keine oder nur eine geringe anfängliche Investition erforderlich ist und
- der Ausgleich zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird.
Wichtige Finanzderivate sind in erster Linie
- alle Arten von Optionen,
- Termingeschäfte,
- Zinsswaps.
Dienen Finanzderivate nicht spekulativen Zwecken, sondern Sicherungszwecken (hedging), so kann der Gewinn/Verlust aus dem Grundgeschäft handelsrechtlich nach § 254 HGB ggf. mit dem Verlust/Gewinn aus dem Sicherungsgeschäft kompensiert werden. Eine Bewertungseinheit wird gebildet, die die Kompensation bis zur Höhe eines drohenden Verlustüberschusses rechtfertigt.
Die Regelungen in IFRS 9 weisen im Vergleich dazu eine höhere Stringenz auf:
Die unterschiedlichen Sicherungsformen und ihre Behandlung sind in Abb. 4 zusammengefasst.
Abb. 4: Derivate und hedge accounting
Auch bei sonst zeitlich gebotener Anwendung von IFRS 9 (d. h. seit 2018) steht es dem Unternehmen frei, hinsichtlich des hedge accounting weiterhin IAS 39 anzuwenden (IFRS 9.7.2.21). Im Bereich perfekter Mikro-hedges ergeben sich kaum relevante Abweichungen zwischen beiden Standards. Anders ist die Sachlage bei weniger perfekten Sicherungen (etwa Luftfahrtunternehmen sichert Kerosinpreis durch Termingeschäfte auf Öl ab) oder bei dynamischen Sicherungsstrategien, in denen etwa die Sicherungsinstrumente an ein stets wechselndes Portfolio von Grundgeschäften jeweils angepasst werden. Hier bestehen nach IAS 39 z. T. restriktive Regelungen, die ein hedge accounting entweder gar nicht ermöglichen oder dessen vorzeitige Beendigung gebieten. IFRS 9 ist hier großzügiger und erleichtert es, tatsächliche ökonomische Sicherungsstrategien der Praxis auch bilanziell als hedges abzubilden.
5.2 Hedge accounting
5.2.1 Synchronisierungszweck des hedge accounting
Im System des HGB werden Sonderregeln für Sicherungszusammenhänge vor allem benötigt, um wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Drohverlustrückstellungen oder außerplanmäßige Abschreibungen zu vermeiden oder zu kompensieren. Wird etwa eine langfristige Dollarforderung durch einen Terminverkauf gesichert und steigt der Dollar bis zum Bilanzstichtag, so kann auf die Forderung wegen des Anschaffungskosten- und des Imparitätsprinzips keine Zuschreibung vorgenommen werden; der gegenläufige Verlust aus dem Sicherungsgeschäft wäre aber als Rückstellung zu berücksichtigen. Die Zulassung von Bewertungseinheiten durch § 254 HGB i. d. F. BilMoG vermeidet ein solches, dem wirtschaftlichen Gehalt nicht entsprechendes Ergebnis.
Die IFRS kennen keine derartigen Beschränkungen der Bilanzierung auf Sicherungszusammenhänge. Finanzderivate etwa sind nicht nur passivisch im Fall drohender Verluste, sondern auch aktivisch bei zu erwartenden Gewinnen zu bilanzieren. Ein eventueller Zusammenhang mit einem jetzigen oder zukünftigen Grundgeschäft berührt nie den Bilanzausweis, sondern nur die sofortige oder spätere Berücksichtigung in der GuV.
Zweck des hedge accounting nach IFRS ist nur die Synchronisierung der GuV. Hinsichtlich des Synchronisierungsproblems und seiner Lösung sind zwei Fälle zu unterscheiden:
Fair value hedge
- Synchronisierungsproblem:
Der fair value eines schon bilanzwirksamen Grundgeschäfts reagiert spiegelbildlich zum fair value des Sicherungsgeschäfts (Derivats) auf Änderungen von Marktzinsen, Devisenkursen oder sonstigen Parametern. Nach allgemeinen Regeln wird das Grundgeschäft jedoch zu Anschaffungskosten oder zwar zum fair value, aber erfolgsneutral geführt. Nur die fair-value-Änderung des Derivats würde dann in die GuV einfließen. In Summe beider Geschäfte ergäbe sich trotz geschlossener Position, d. h....