2.1 Überblick
Rz. 10
Nach § 12 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung, soweit nicht in den Vorschriften der Abs. 2–7 etwas anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des 1. Teils des BewG (Allgemeine Bewertungsvorschriften). Diese Vorschriften regeln nicht nur die Bewertung des angefallenen Vermögens und der abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten, sondern auch die Feststellung des Umfangs des Erwerbs sowie die Frage, was im einzelnen Gegenstand der Bewertung ist.
Rz. 11
Im Einzelnen lassen sich im Rahmen der allgemeinen Bewertungsvorschriften folgende Regelungskomplexe unterscheiden:
- § 1 BewG bestimmt den Geltungsbereich des BewG und ordnet den Nachrang der allgemeinen Bewertungsvorschriften gegenüber den im 2. Teil des Gesetzes oder in anderen Steuergesetzen enthaltenen besonderen Bewertungsvorschriften an.
- § 2 BewG bestimmt, dass Gegenstand der Bewertung die jeweilige wirtschaftliche Einheit ist, und regelt deren Abgrenzung.
- § 3 BewG regelt die Wertermittlung bei mehreren Beteiligten.
- §§ 4–8 BewG regeln die Berücksichtigung aufschiebend oder auflösend bedingter bzw. auf einen unbestimmten Zeitpunkt befristeter Erwerbe und Lasten.
- § 9 BewG stellt den Bewertungsgrundsatz des gemeinen Werts auf und definiert diesen in verschiedene Richtungen.
- § 10 BewG ordnet die Bewertung der einem Unternehmen dienenden Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert an und definiert diesen; für die Bewertung des Betriebsvermögens hat die Vorschrift aber keine Bedeutung mehr, weil sich insoweit aus § 157 Abs. 4 und 5 BewG abweichende Bewertungsvorschriften ergeben.
- § 11 BewG regelt die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen. Über die Verweisung in § 157 Abs. 4 und 5 BewG bzw. § 109 BewG gelten die Vorschriften des § 11 Abs. 2 BewG auch für die Bewertung von Betriebsvermögen bzw. Anteilen am Betriebsvermögen.
- § 12 BewG regelt die Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden.
- §§ 13 und 14 BewG bestimmen im Zusammenhang mit den entsprechenden Anlagen zum BewG, wie der Kapitalwert von wiederkehrenden bzw. lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen zu bestimmen ist.
- §§ 15 und 16 BewG regeln die Ermittlung des Jahreswerts von Nutzungen und Leistungen.
Rz. 12
Die Vorschriften der §§ 2–16 BewG sind grundsätzlich für alle Vermögensarten von Bedeutung. Allerdings werden sie für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, die Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von (Anteilen an) Betriebsvermögen von den dafür geltenden Spezialregelungen überlagert, die nicht nur spezielle Verfahren zur Ableitung des gemeinen Werts vorsehen, sondern wegen des Prinzips der Gesamtbewertung auch die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze verdrängen.
2.2 Wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG)
Rz. 13
Gegenstand der Bewertung ist die wirtschaftliche Einheit. Daraus folgt zum einen, dass jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten ist, zum anderen, dass ihr Wert im Ganzen festzustellen ist. Eine wirtschaftliche Einheit kann entweder aus einem einzelnen Wirtschaftsgut bestehen, das im Wirtschaftsleben ein Eigendasein führt, oder aus der Verbindung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer Sachgesamtheit, die regelmäßig einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dient. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, richtet sich gem. § 2 Abs. 1 S. 3 und 4 BewG nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung örtlicher Gewohnheit, tatsächlicher Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftlicher Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter.
Rz. 14
Die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit als Bewertungsgegenstand ist für die Erbschaftsteuer insofern bedeutsam, als für die verschiedenen Vermögensarten unterschiedliche Bewertungsregeln gelten. Insbesondere beim Betriebs- sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gilt der Grundsatz der Gesamtbewertung, sodass der sich für die jeweilige wirtschaftliche Einheit als Ganzes ergebende Wert nicht mit der Summe der Werte übereinstimmen muss, die sich bei einer Einzelbewertung der zugehörigen Wirtschaftsgüter ergeben würden.
Rz. 15
Rechtliche Voraussetzung für die Zugehörigkeit verschiedener Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit ist nach § 2 Abs. 2 BewG, dass sie demselben Eigentümer gehören. Für Zwecke der Erbschaftsteuer richtet sich die Bestimmung des Eigentümers grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Verhältnissen. Ausnahmen können sich im Fall des Betriebsvermögens daraus ergeben, dass § 95 BewG die wirtschaftliche Einheit des Betriebsvermögens durch eine Verweisung auf die ertragsteuerlichen Vorschriften abgrenzt. Die für die Einheitsbewertung geltende Regelung des § 26 BewG, wonach die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit beim Grundbesitz i. S. d. §§ 33–94, 99 und 125–133 BewG nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten oder Lebenspartner gehören, ist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht anwendbar. Das Verbot der Zusammenfassung mehrerer, verschiedenen...