Rz. 90
Ist der gemeine Wert einer Anzahl von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die einer Person gehören, infolge besonderer Umstände höher als der Wert, der sich aufgrund der Kurswerte bzw. der gemeinen Werte für die einzelnen Anteile insgesamt ergibt, so ist nach § 11 Abs. 3 BewG der gemeine Wert der Beteiligung maßgeblich. Dies kommt nach dem Gesetz insbesondere dann in Betracht, wenn die Höhe der Beteiligung die Beherrschung der Kapitalgesellschaft ermöglicht. Das Gesetz unterstellt dabei, dass der gemeine Wert einer (aus einer Mehrheit von Anteilen bestehenden) Beteiligung wegen der Möglichkeit, Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen, höher ist als die Summe der Kurswerte bzw. der Kaufpreise für den einzelnen Anteil aus stichtagsnahen Verkäufen. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich im Kurswert bzw. im Verkaufspreis der einzelnen Aktie bereits der Beteiligungscharakter widerspiegelt.
Dementsprechend kommt der Paketzuschlag nach § 11 Abs. 3 BewG in erster Linie in den Fällen des § 11 Abs. 1 BewG in Betracht, wenn der Börsenkurs den Beteiligungscharakter der zu bewertenden Anteile nicht berücksichtigt. Ein Paketzuschlag nach § 11 Abs. 3 BewG scheidet demgegenüber in Fällen aus, in denen der gemeine Wert aus Verkäufen abgeleitet wurde, bei denen der Beteiligungscharakter den Preis beeinflusst hat. Gleiches galt bei einer Anteilsbewertung nach dem bis zum 31.12.2008 geltenden Stuttgarter Verfahren. Denn dieses sah für Anteile, die keinen Einfluss auf die Geschäftsführung gewähren, eine Kürzung des im Rahmen der Regelbewertung ermittelten gemeinen Werts um einen Abschlag von 10 % vor.
Rz. 91
Nach R B 11.8 Abs. 2 S. 1 ErbStR 2019 kommt ein Paketzuschlag außer beim Ansatz von Kurswerten auch bei der Ableitung des gemeinen Werts aus stichtagsnahen Verkäufen in Betracht. Wird der gemeine Wert in einem Ertragswertverfahren oder nach einer anderen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt, ist der Paketzuschlag – unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BewG – vorzunehmen, wenn die in § 11 Abs. 3 BewG genannten Umstände bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt werden. U. E. ist eine solche Berücksichtigung überhaupt nicht möglich, da die Bewertungskonzeption des ErbStRG nicht auf die unmittelbare Ermittlung des Anteilswerts zielt, sondern diesen nach Maßgabe des § 97 Abs. 1b BewG aus dem für das Unternehmen als Ganzes ermittelten Wert ableitet (vgl. auch Rz. 283 f.). Der Gesamtwert des Unternehmens kann selbst aber keinen Paketzuschlag enthalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch unverständlich, dass bei Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens i. d. R. kein Zuschlag vorzunehmen sein soll. Denn das vereinfachte Ertragswertverfahren ist lediglich eine schematisierte und standardisierte Variante des allgemeinen Ertragswertverfahrens.
Einen Abschlag von dem quotalen Unternehmenswert für Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung schließt R B 11.8 Abs. 2 S. 4 ErbStR 2019 zwar nur bei Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens ausdrücklich aus. Doch bietet das Gesetz dafür auch in anderen Fällen keine Grundlage. Die Vornahme eines Paketzuschlags für einzelne Anteile hat daher zur Folge, dass die Summe der Anteilswerte höher als der Gesamtwert des Unternehmens ist.
Bei der Bewertung mit dem Substanzwert soll kein Paketzuschlag vorgenommen werden. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ausnahme ist nicht ersichtlich. Das Substanzwertverfahren kommt für Unternehmen zur Geltung, die im Verhältnis zum Vermögenswert geringe Erträge abwerfen. Weshalb die durch die Beteiligungshöhe vermittelte Möglichkeit, z. B. mit dem Ziel der Substanzverwertung auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen, in diesen Fällen keine überquotale Bewertung des Anteils rechtfertigen können soll, ist nicht ersichtlich.
Rz. 92
Ein Paketzuschlag ist nach R B 11.8 Abs. 3 ErbStR 2019 vorzunehmen, wenn ein Gesellschafter mehr als 25 % der Anteile auf einen oder mehrere Erwerber überträgt. Dieses Größenmerkmal stellt eine Vereinfachungsregelung dar, die der bereits früher von der Rspr. gezogenen Grenze entspricht. Allerdings hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ab welcher Beteiligungsquote der Anteilsinhaber Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann. Bei einer Publikumsgesellschaft mit einem hohen Streubesitzanteil ist diese Grenze wesentlich niedriger als bei einer – u. U. nur aus 2 Gesellschaftern bestehenden – GmbH. Dem Stpfl. muss daher der Nachweis offenstehen, dass trotz Überschreitung der Beteiligungsgrenze von 25 % kein Paketzuschlag gerechtfertigt ist.
Hält die Kapitalgesellschaft, an der die Beteiligung besteht, eigene Anteile, ist für die Entscheidung, ob die für den Paketzuschlag maßgebliche Beteiligungsgrenze überschritten ist, von einem um die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft verminderten Nennkapital auszugehen.
Rz. 93
Änderungen der Beteiligungsquote durch den Erb- oder Schenkungsfall haben n...