Rz. 302
In die Ermittlung des Substanzwerts sind auf der Aktivseite alle Wirtschaftsgüter einzubeziehen, die nach §§ 95–97 BewG zum Betriebsvermögen gehören (vgl. dazu Rz. 252–257).
Wirtschaftsgüter sind neben körperlichen Gegenständen und Forderungen auch immaterielle Wirtschaftsgüter. Für die Steuerbilanz macht § 5 Abs. 2 EStG den Ansatz immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zwar von der Voraussetzung ihres entgeltlichen Erwerbs abhängig. Eine vergleichbare Einschränkung kennt das Bewertungsrecht aber nicht. Zum Betriebsvermögen gehören daher sowohl selbst geschaffene als auch entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter. Da die Bewertung mit dem gemeinen Wert stattzufinden hat, kommt allerdings nur die Berücksichtigung solcher immateriellen Wirtschaftsgüter in Betracht, die – wie z. B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen Markenrechte, Gebrauchsmusterrechte, Konzessionen, Bierlieferrechte – einer selbstständigen Veräußerung zugänglich sind. Daher ist der Geschäfts- oder Firmenwert bzw. der Praxiswert bei der Ermittlung des Substanzwerts außer Betracht zu lassen, und zwar unabhängig davon, ob er selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurde. Soweit ein Geschäftswert vorhanden ist, dürfte der gemeine Wert des Unternehmens als Ganzes ohnehin höher sein als die Summe der gemeinen Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter. Demgegenüber sollen geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildende Faktoren, denen ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z. B. Kundenstamm, Know-how), nach R B 11.5 Abs. 3 S. 5 ErbStR 2019 (ggf. i. V. m. R B 109.1 S. 3 ErbStR) bei der Ermittlung des Substanzwerts berücksichtigt werden. Dem ist u. E. nicht zu folgen, weil derartige Faktoren regelmäßig nicht selbstständig verkehrsfähig sind und ihre Einbeziehung zu einer Vermengung von Substanz- und Ertragswertverfahren führt.
Als sonstige aktive Ansätze kommen vor allem aktive Rechnungsabgrenzungsposten in Betracht, also Ausgaben vor dem Bewertungsstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Bewertungsstichtag darstellen.
Rz. 303
Die Ermittlung der gemeinen Werte richtet sich nach den für die jeweilige Vermögensart geltenden Vorschriften. Grundbesitz, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1–3 BewG festzustellen ist, sind mit den auf den Bewertungsstichtag festgestellten Werten anzusetzen. Der gemeine Wert von Erfindungen oder Urheberrechten, die in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise gegen Entgelt einem Dritten zur Nutzung überlassen sind, ist nach R B 11.5 Abs. 6 ErbStR 2019 (ggf. i. V. m. R B 109.1 S. 3 ErbStR 2019) durch Kapitalisierung der vertraglich geschuldeten Nutzungsentgelte zu ermitteln, soweit keine anderen Bewertungsgrundlagen vorhanden sind. Bei schwankenden Nutzungsentgelten und unbestimmter Vertragsdauer kann auf die letzte vor dem Besteuerungszeitpunkt gezahlte Lizenzgebühr und eine Laufzeit von 8 Jahren abgestellt werden. Der Kapitalisierung ist der marktübliche Zins zugrunde zu legen; hierbei kann der jeweils maßgebende Kapitalisierungszinssatz nach § 203 Abs. 1 BewG angewendet werden.
Wirtschaftsgüter des beweglichen abnutzbaren Anlagevermögens können aus Vereinfachungsgründen mit einem angemessenen Restwert von mindestens 30 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt. Nach Ansicht von Mannek ist der Ansatz des Mindestwerts solange ausgeschlossen, wie die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Restwert von 30 % überschreiten.
Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit ihren Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten zum Bewertungsstichtag anzusetzen. Ihr Wert kann auch nach der retrograden Methode ermittelt werden. Aufgrund der Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens gebildete stille Reserven sind bei der Ermittlung des Substanzwerts aufzulösen.