Rz. 378
Nach Auffassung der FinVerw ist das vereinfachte Ertragswertverfahren grundsätzlich auch auf die Bewertung ausländischer Kapitalgesellschaften und ausländischen Betriebsvermögens anwendbar. Soweit es sich um Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften handelt, folgt diese Auffassung unmittelbar aus dem Gesetz. Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften sind kein ausländisches Betriebsvermögen i. S. d. § 12 Abs. 7 ErbStG, sondern fallen unter die Bewertungsvorschrift des § 11 Abs. 2 BewG und damit in den Anwendungsbereich der §§ 199–203 BewG, auf die § 11 Abs. 2 S. 4 BewG verweist. Dementsprechend war schon für das Stuttgarter Verfahren die grundsätzliche Anwendbarkeit auf Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften anerkannt. Ausländische Vermögensteile einer inländischen Kapitalgesellschaft gehören ohnedies zur wirtschaftlichen Einheit i. S. d. § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG. Für ausländisches Betriebsvermögen i. S. d. § 95 BewG ist die Geltung des § 11 Abs. 2 und der §§ 199–203 BewG gesetzessystematisch zwar nicht ohne Weiteres zu begründen, doch entspricht die zumindest entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschriften im Ergebnis wohl der allgemeinen Meinung (s. Rz. 625).
Rz. 379
Allerdings sind die Vorschriften des vereinfachten Ertragswertverfahrens insofern nicht auf ausländische Kapitalgesellschaften und auf ausländisches Betriebsvermögen zugeschnitten, als sie an die Gewinnermittlung nach deutschem Einkommensteuerrecht anknüpfen. Von besonderer praktischer Bedeutung ist deshalb, dass nach R B 199.2 S. 3 ErbStR 2019 der Gewinnermittlung die im jeweiligen Land geltenden Gewinnermittlungsvorschriften zugrunde gelegt werden können, wenn sie eine dem § 202 Abs. 1 S. 2 BewG entsprechende Korrektur zulassen. Damit wird die Ermittlung des Jahresertrags erheblich erleichtert; dem Rechtsanwender bleibt eine Konvertierung der nach ausländischem Recht erstellten Jahresabschlüsse in das deutsche Steuerbilanzrecht erspart. Unter den ausländischen Gewinnermittlungsvorschriften sind u. E. die für ertragsteuerliche Zwecke geltenden Regeln zu verstehen. Die FinVerw verlangt zwar nicht, dass diese den inländischen Vorschriften entsprechen. Die in R B 199.1 Abs. 2 ErbStR 2019 aufgestellte Bedingung, dass die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens auf Auslandssachverhalte nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen darf, dürfte aber nur dann erfüllt sein, wenn sich nach Durchführung der Korrekturen gem. § 202 Abs. 1 S. 2 BewG Betriebsergebnisse ergeben, die denjenigen vergleichbar sind, die sich nach deutschem Recht ergeben würden.
Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen hat in der jeweiligen Landeswährung zu erfolgen; der in dieser Währung ermittelte Ertragswert ist mit dem für den Bewertungsstichtag festgestellten Devisenkurs in EUR umzurechnen. Damit wird eine stichtagsgerechte Wertermittlung ermöglicht.
Einen speziellen Anwendungsvorbehalt stellt R B 199.2 S. 4 ErbStR 2019 auf. Danach darf die Anwendung des nach § 203 BewG maßgebenden Kapitalisierungsfaktor nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass das Zinsniveau in dem ausländischen Sitz- bzw. Belegenheitsstaat erheblich von dem inländischen abweichen und sich daraus ein völlig anderes Bewertungsniveau ergeben kann. Fraglich ist, ob derartigen Unterschieden durch eine Anpassung des Kapitalisierungsfaktors an das Niveau des Sitz- bzw. Belegenheitsstaates Rechnung getragen werden kann. Dies ist u. E. zu verneinen, weil das vereinfachte Ertragswertverfahren keine Alternative zur Anwendung des nach § 203 BewG maßgebenden Kapitalisierungsfaktors vorsieht.
Rz. 380–389
einstweilen frei