Rz. 69
Der Gesetzgeber möchte mit den steuerlichen Begünstigungen die Unternehmensnachfolge erleichtern. Gleichzeitig beschränkt er die unternehmerische Tätigkeit aber durch zahlreiche Auflagen, Behaltensregelungen und Fortführungsverpflichtungen für viele Jahre. Dies beeinträchtigt die unternehmerische Freiheit ganz erheblich. Notwendige Anpassungen an veränderte Marktverhältnisse werden dadurch unter Umständen verhindert oder zumindest verzögert. Die (einmalige) Erleichterung der Unternehmensnachfolge darf nicht dazu führen, dass die unternehmerische Tätigkeit (dauerhaft) erschwert wird.
Rz. 69a
Der BFH teilt die grundsätzlichen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Unternehmenserbschaftsteuerrechts offensichtlich nicht. In einer aktuellen Entscheidung zur sog. Steuerpause hat der BFH jedenfalls Folgendes ausgeführt:
Zitat
Das ErbStG verstößt nach Ansicht des Senats auch nicht insgesamt gegen das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit. (…) Dabei kann dahinstehen, ob dies möglicherweise für einzelne Normen der Verschonung des Betriebsvermögens zutrifft.
In einer weiteren Entscheidung hat sich der BFH mit der Frage beschäftigt, ob die derzeitige Besteuerung von Privatvermögen gegen das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes oder das Europäische Beihilferecht verstößt. Der BFH hat im Ergebnis beides verneint und dabei auch eine Verfassungswidrigkeit wegen "Hyperkomplexität" der Normen abgelehnt.
In Zusammenhang mit der Besteuerung von Ausschüttungen eines anglo-amerikanischen Trust hat der BFH die verfassungsrechtlichen Bedenken an der Zulässigkeit einer Doppelbesteuerung mit Schenkungsteuer und Einkommensteuer deutlich zurückgewiesen. Dabei hat er wörtlich Folgendes ausgeführt:
Zitat
Ungeachtet dessen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass das Zusammentreffen von Schenkungsteuer und Einkommensteuer in der vorliegenden Konstellation gegen Verfassungsrecht verstieße. Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers wird für den Bereich des Steuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt, die Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit (…). Das Grundgesetz selbst kennt eine Vielzahl von Steuern (vgl. Art. 105 ff. GG). Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz des Inhalts, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt und dass Lücken sowie eine mehrfache Besteuerung des nämlichen Sachverhalts vermieden werden müssten (…). Kommt es zu Doppelbelastungen bei folgerichtiger Ausgestaltung jeder Einzelsteuer, ist das unvermeidlich und nicht verfassungswidrig (…). Der Gesetzgeber hat insoweit konsequent die Doppelbelastung durch Schenkungsteuer und Einkommensteuer einschließlich der damit verbundenen Härten grundsätzlich in Kauf genommen (…), indem er die Steuerermäßigung nach § 35b S. 1 des Einkommensteuergesetzes ausdrücklich auf die Vorbelastung mit Erbschaftsteuer --und nicht mit Schenkungsteuer-- begrenzt hat (…). Es ist daher nicht geboten, im Wege verfassungskonformer Auslegung bei einer Ausschüttung aus einem Trust --unabhängig davon, ob sie der Dividendenausschüttung einer Kapitalgesellschaft vergleichbar ist-- die Schenkungsteuer gegenüber einer etwaig zusätzlich anfallenden "spezielleren" Einkommensteuer zurücktreten zu lassen. (…).
Im Moment ist nicht zu erwarten, dass der BFH eine weitere Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des ErbStG einholt. Der BFH legt die Begünstigungsvorschriften des ErbStG regelmäßig verfassungskonform eng aus und vermeidet damit eine verfassungswidrige Überbegünstigung.
Die Rspr. des BFH führt in vielen Fällen dazu, dass der Erwerb von unternehmerischem Vermögen steuerlich oftmals nicht begünstigt wird. Dies hat zu neuer Kritik und verfassungsrechtlichen Bedenken geführt, und zwar in Gestalt einer verfassungswidrigen Unterbegünstigung. Derzeit ist eine entsprechende Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig.