4.3.1 Überblick
Rz. 163
Für den Erwerb begünstigten Vermögens bis zum 30.6.2016 (§ 37 Abs. 12 S. 1 ErbStG) wurde der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % unabhängig von der Höhe des Erwerbs gewährt.
Rz. 164
Für alle Erwerbe begünstigten Vermögens, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht ist der Erwerb grundsätzlich nur noch dann i. H. v. 85 % bzw. 100 % steuerfrei, wenn der Erwerb begünstigten Vermögens die Grenze von 26 Mio. EUR insgesamt nicht übersteigt.
Rz. 165
Das BVerfG hat dem Gesetzgeber die Grenze von 26 Mio. EUR in seiner Entscheidung zum ErbStG nicht ausdrücklich vorgegeben. Allerdings hat das BVerfG deutlich gemacht, dass eine steuerliche Verschonung nur bei kleinen und mittleren Erwerben ohne eine individuelle Bedürfnisprüfung zulässig ist. Bei größeren Erwerben sei eine steuerliche Verschonung nur dann möglich, wenn die Bedürftigkeit des Erwerbers konkret festgestellt worden ist. Diese Grenze hat der Gesetzgeber nunmehr bei 26 Mio. EUR gezogen.
Rz. 166
Die Bundesregierung hat die Grenze von 26 Mio. EUR in ihrem ursprünglichen Gesetzesentwurf als "Prüfschwelle" bezeichnet und diese u. a. wie folgt begründet (BT-Drs. 18/5923, S. 23 ff.):
Zitat
Die bestehenden Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – unverhältnismäßig, soweit bei der Übertragung großer betrieblicher Vermögen die Verschonung eintritt, ohne dass der Erwerber nachgewiesen hat, ob er überhaupt einer Verschonung bedarf.
Nach dieser Maßgabe bestimmt die Vorschrift grundsätzlich eine Prüfschwelle von 26 Millionen Euro für die Verschonung des insgesamt erworbenen begünstigten Vermögens im Sinne des § 13 b ErbStG. Bei der Prüfung, ob die Schwelle überschritten ist, sind von derselben Person anfallende Erwerbe begünstigten Vermögens innerhalb von zehn Jahren einzubeziehen (vergleichbar mit der Frist in § 14 ErbStG). Durch das Zusammenrechnen von Erwerben innerhalb von zehn Jahren sollen Gestaltungen durch gestaffelte Übertragungen vermieden werden. Dabei werden frühere Erwerbe nur mit ihrem früheren Wert angesetzt. Damit eine nachträgliche Änderungsfestsetzung möglich bleibt, wird das Ende der Festsetzungsfrist hinausgeschoben. Liegt der Erwerb unterhalb der Prüfschwelle, erhält der Erwerber, wie im bisherigen Recht, im Rahmen der Regelverschonung einen Verschonungsabschlag in Höhe von 85 Prozent und bei der Optionsverschonung nach Absatz 10 in Höhe von 100 Prozent, soweit die weiteren Voraussetzungen (Einhalten der Behaltens- und der Lohnsummenregelungen) hierfür vorliegen. Übersteigt der Wert des erworbenen begünstigten Vermögens die Prüfschwelle, erfolgt zunächst keine Verschonung, sondern auf Antrag ein verminderter Verschonungsabschlag nach § 13 c ErbStG (…) oder eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung beim Erwerber nach dem neu eingefügten § 28 a ErbStG (…).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bedürfnisprüfung für den Erwerb von größeren Unternehmen vorgegeben, da die Ungleichbehandlung bei diesen Erwerben schon wegen der Größe der steuerbefreiten Beträge ein Ausmaß annimmt, das ohne konkrete Feststellung der Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens – eigentlich des Erwerbs – nicht mehr hingenommen werden kann (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, Rz. 172 f.). Bei der Ausgestaltung der Bedürfnisprüfung hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum zugestanden. Die erwerbsbezogene Prüfschwelle orientiert sich an dem Maß der Ungleichbehandlung und knüpft entsprechend der Erbschaftsteuersystematik an den Wert des konkreten Erwerbs an (erwerbsbezogene Betrachtung). Eine erwerbsbezogene Prüfschwelle grenzt daher größere Erwerbe von kleinen und mittleren Erwerben ab. Bei Erwerben bis zu einem Wert von 26 Millionen Euro geht der Gesetzgeber typisierend von einer unwiderleglichen Gefährdungsvermutung für die in den Betrieben angelegte Beschäftigung aus. Der Prüfschwellenwert ist von der Steuertarifnorm abgeleitet. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Steuertarifs die größeren Erwerbe, auf die der höchste Steuersatz angewendet wird, mit einem Wert von über 26 Millionen Euro bestimmt (vgl. § 19 Absatz 1 ErbStG). Diesem Grenzwert sollte die Prüfschwelle nicht widersprechen. Bei der Höhe der Prüfschwelle ist zu beachten, dass die Prüfung nicht strukturell leer laufen darf und eine gewisse Anzahl von Erwerben erfasst. Nach der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2012 und 2013 lagen rund 1,5 bis 1,7 Prozent der Erwerbe mit begünstigtem Vermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG in der in diesen Jahren geltenden Fassung oberhalb eines Werts von 20 Millionen Euro. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass etwa 1 Prozent der Erwerbe begünstigten Vermögens im Sinne des Gesetzesentwurfs oberhalb von 26 Millionen Euro liegen.
Rz. 167
Der Gesetzgeber hat sich bei der Grenze an der höchsten Tarifstufe des geltenden Steuertarifs orientiert (§ 19 Abs. 1 ErbStG). Bei einem steuerpflichtigen Erwerb von ...