Rz. 416
Der Verschonungsabschlag fällt bei einem Verstoß gegen die Behaltensregelung in der Regel nicht vollständig weg (kein "Fallbeileffekt"). Vielmehr kommt es (seit dem Jahr 2009) grundsätzlich nur noch zu einem zeitanteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags. Dies ist sachgerecht und angemessen. Der rückwirkende Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich dabei (mit Ausnahme des Falls der Überentnahmen) auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltefrist (einschl. des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt) zur gesamten Behaltefrist entspricht (§ 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG). Entscheidend ist somit, wie viele volle Jahre das Unternehmen vom Erwerber fortgeführt worden ist.
9.2.1 Überblick
Rz. 417
Die einzelnen Nachsteuertatbestände sind im Gesetz abschließend aufgeführt (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nrn. 1–5 ErbStG).
Rz. 418
Dabei handelt es sich vereinfacht um folgende Fälle:
Nr. 1: Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder eines Anteils an einer Personengesellschaft,
Nr. 2: Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen,
Nr. 3: Überentnahmen oder Überausschüttungen,
Nr. 4: Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften,
Nr. 5: Aufhebung einer Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbündelung.
Rz. 419
Eine steuerschädliche Veräußerung liegt jeweils auch dann vor, wenn das begünstigte Vermögen als Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) oder zur Erfüllung von schuldrechtlichen Ansprüchen (z. B. von Pflichtteilsansprüchen, Geldvermächtnissen oder Zugewinnausgleichsansprüchen) übertragen wird.
Rz. 420
Der Erwerber verstößt dagegen nicht gegen die Behaltensregelungen, wenn er das begünstigte Vermögen von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden weiter überträgt. Steuerunschädlich ist allerdings nur die voll unentgeltliche Weiterübertragung. Bei einer nicht voll unentgeltlichen Weiterübertragung liegt in Höhe des entgeltlichen Teils eine schädliche Veräußerung vor. Der (unentgeltliche) Rechtsnachfolger tritt dann aber in die Behaltensverpflichtung seines Rechtsvorgängers (des ursprünglichen Erwerbers) ein und muss diese (an dessen Stelle) beachten (und zusätzlich seine eigene Behaltefrist, die daneben parallel läuft).
Rz. 421
Die Weiterübertragung des begünstigten Vermögens unter Vorbehaltsnießbrauch ist nicht teilentgeltlich, da der Vorbehaltsnießbrauch schenkungsteuerrechtlich keine Gegenleistung darstellt. Die Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs an dem begünstigten Vermögen ist mangels Übertragung der Vermögenssubstanz gleichfalls unschädlich.
Rz. 422
Für den Verwaltungsvermögenstest sind grundsätzlich allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) maßgeblich. Eine eigene Behaltensregelung für Änderungen im Verwaltungsvermögen besteht nicht. Die nachträgliche Umwandlung von begünstigtem Vermögen in Verwaltungsvermögen (z. B. ein bislang für den eigenen Betrieb genutztes Grundstück wird künftig an einen Dritten überlassen) ist für sich genommen kein Verstoß gegen die Behaltensregelungen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Veränderung im Bereich des Verwaltungsvermögens zugleich gegen einen der allgemeinen Nachsteuertatbestände verstößt (z. B. Betriebsaufgabe).
Bei einer teilweisen Veräußerung ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Erwerber zunächst die ihm bereits früher gehörenden Teil-Kommanditanteile veräußert.
Rz. 423
Die Behaltensregelung werden für jeden Erwerber einzeln geprüft.
Rz. 424
Die Gründe für den Verstoß gegen die Behaltensregelung sind unbeachtlich. Nachsteuerschädlich sind freiwillige und unfreiwillige Veräußerungen. Grund, Anlass oder Beweggrund für die Veräußerung sind insoweit ohne Bedeutung. Ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen soll selbst bei einer erzwungenen Veräußerung aufgrund einer gesetzlichen oder behördlichen Anordnung vorliegen.
Bei Verstößen aufgrund von Naturkatastrophen (wie etwa Hochwasser, Starkregen, Unwetter, Blitzschlag) sind bislang keine Ausnahmen vorgesehen. Die von der FinVerw im Zusammenhang mit der Begünstigung des selbstgenutzten Familienheims (nach § 13 Abs. 1 Nrn. 4b und 4c ErbStG) veröffentlichten Billigkeitsregelungen müssen auch für unternehmerisches Vermögen zur Anwendung kommen (z. B. bei Zerstörung eines Betriebs oder von Produktionsanlagen).
Ferner ist auch in anderen Fällen höherer Gewalt aus Billigkeitsgründen von einer Nachversteuerung abzusehen (z. B. den Folgen des Kriegs in der Ukraine, dem Ausfall der Strom- oder Energieversorgung, bei Betriebsschließungen aufgrund eines Lockdowns).
Rz. 425
Eine Veräußerung durch (verfügungsberechtigte) Dritte muss sich der Erwerber zurechnen lassen.
Rz. 426
Die Insolvenz des erworbenen Unternehmens wird von Rspr. und FinVerw – trotz berechtigter und jahrelanger Kritik des Schrifttums – grundsätzlich als Verstoß gegen die Behaltensregelung angesehen. Eine Billigkeitsregelung wird gleichfalls abgelehnt. Eine einschr...