Karlheinz Konrad, Dr. Thomas Wachter †
Rz. 145
Angesichts der Entstehungsgeschichte der Neuregelung und der damit verbundenen gesetzgeberischen Zielsetzung sollte bei der Auslegung der Vorschrift insbesondere von folgenden 3 Grundsätzen ausgegangen werden:
4.4.5.1.3.1 Gleichbehandlung der Erblasser bzw. Schenker
Rz. 146
Begünstigt ist grundsätzlich nur der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Erblasser bzw. Schenker daran zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war. Erreicht der Erblasser bzw. Schenker die Mindestbeteiligung nicht, ist der Erwerb ausnahmsweise gleichwohl begünstigt, wenn eine entsprechende Poolvereinbarung besteht. Die Mitglieder der Poolvereinbarung stehen damit genau so wie ein Gesellschafter, der von vornherein über eine Beteiligung von mehr als 25 % verfügt. Aufgrund der Poolvereinbarung kommt es zu einer Gleichbehandlung aller betroffenen Gesellschafter. Für die über eine Poolvereinbarung gebundenen Gesellschafter gelten somit weder strengere noch großzügigere Anforderungen in Bezug auf die steuerliche Verschonung des Erwerbs.
4.4.5.1.3.2 Praxis in Familienunternehmen
Rz. 147
Der Gesetzgeber knüpft mit der Regelung an die bisherige Praxis in Familienunternehmen an. Nach der Gesetzesbegründung sind "deren Unternehmensgrundsätze und unternehmerische Praxis" ein entscheidendes Motiv für die Ausnahme von dem sonst geltenden Erfordernis einer Mindestbeteiligung. Die Auslegung der Neuregelung muss sich daher auch an der bisher geübten Praxis in Familienunternehmen orientieren. Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz darf deswegen nur solche Anforderungen an Poolvereinbarungen stellen, die von der überwiegenden Mehrheit von Familienunternehmen auch tatsächlich erfüllt werden können. Erklärtes Ziel der Neuregelung ist es, die Nachfolge in Familienunternehmen zu erleichtern (und nicht etwa zu erschweren).
4.4.5.1.3.3 Beseitigung von Rechtsformunterschieden
Rz. 148
Mit der Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes sollten die bestehenden Rechtsformunterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften beseitigt werden. Dieses Ziel ist auf der Ebene der Bewertung weitgehend erreicht worden, nicht jedoch auf der Ebene der Verschonung. Gerade das Erfordernis einer Mindestbeteiligung stellt einen erheblichen Nachteil der Kapitalgesellschaft im Vergleich zur Personengesellschaft dar. Bei Personengesellschaften ist der Erwerb von jedem (noch so kleinen) Anteil begünstigt, und zwar unabhängig von dem damit im Einzelfall tatsächlich verbundenen unternehmerischen Einfluss. Die Neuregelung zu den Poolvereinbarungen stellt somit auch einen Beitrag zur gleichheitsgerechten Ausgestaltung der Verschonungsregelung dar. Dem sollte auch bei der Gesetzesauslegung in angemessener Weise Rechnung getragen werden.