Rz. 169

Verfügungsbeschränkung und Stimmrechtsbindung müssen nach dem Gesetzeswortlaut beide gemeinsam vorliegen.[1] Die bloße Verfügungsbeschränkung (ohne Stimmrechtsbindung) oder die bloße Stimmrechtsbindung (ohne Verfügungsbeschränkung) sind somit nicht ausreichend.

 

Rz. 170

Die Verfügungsbeschränkung kann dabei auf 2 unterschiedliche Arten erreicht werden.[2]

 

Rz. 171

  • Die 1. Möglichkeit der Verfügungsbeschränkung besteht darin, dass die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen.[3]
  • Die 2. Möglichkeit der Verfügungsbeschränkung besteht darin, dass die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, die Anteile ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen.[4]

Für die Zusammenrechnung der Anteile ist es ausreichend, wenn eine von beiden Fällen der Verfügungsbeschränkung vorliegt.

[1] R E 13b.6 Abs. 3 S. 3 ErbStR 2019.
[2] R E 13b.6 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 ErbStR 2019.

4.4.5.4.1 Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Fall 1 ErbStG)

 

Rz. 172

Die Zusammenrechnung der Gesellschaftsanteile setzt voraus, dass der Erblasser bzw. Schenker und die weiteren Gesellschafter verpflichtet sind, über die Anteile nur "einheitlich zu verfügen". Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, was der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des "Verfügens" gemeint hat.[1]

 

Rz. 173

Da das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht zivilrechtlich geprägt ist, liegt es nahe, den Begriff des "Verfügens" hier ebenso zu verstehen wie im Bürgerlichen Recht.[2] Dort werden mit Verfügungen Rechtsgeschäfte bezeichnet, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, sei es durch Übertragung, Aufhebung, Belastung oder inhaltliche Änderung. Dies würde nicht nur sämtliche Formen der (entgeltlichen und unentgeltlichen) Übertragung der Anteile, sondern auch andere Verfügungsformen (wie etwa die Bestellung eines Nießbrauchs oder die Verpfändung) umfassen. Dies erscheint jedoch aus folgenden Gründen zu weitgehend.[3]

 

Rz. 174

Der Gesetzgeber verwendet in den beiden Fällen der Verfügungsbeschränkungen selbst unterschiedliche Formulierungen: Zum einen spricht er davon, dass die Gesellschafter verpflichtet sein müssen, über die Anteile nur einheitlich "zu verfügen", zum anderen fordert er, dass die Gesellschafter verpflichtet sind, die Anteile nur auf Gesellschafter, die derselben Verpflichtung unterliegen, "zu übertragen". Dies zeigt, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der Verfügung den Fall der Übertragung (nicht aber auch die zahlreichen anderen Fälle von Verfügungen) gemeint hat. Ein sachlicher Grund, die Reichweite des Verfügungsverbots in beiden Fällen unterschiedlich weit auszugestalten ist nicht ersichtlich.

 

Rz. 175

Darüber hinaus deutet auch die Gesetzesbegründung darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Verfügungsbeschränkung vor allem die freie Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen einschränken wollte. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass "die Anteile nicht beliebig veräußert werden können". Veräußerung ist das schuldrechtliche Rechtsgeschäft, das einer Übertragung regelmäßig zugrunde liegt. Bei anderen Formen der Verfügung (z. B. der Belastung oder Aufhebung eines Rechts) fehlt es dagegen an einer solchen Veräußerung.

 

Rz. 176

Schließlich spricht auch die bestehende Praxis bei vielen Familienunternehmen gegen eine umfassende Verfügungsbeschränkung. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung der "unternehmerische(n) Praxis" bei Familienunternehmen (auch und gerade im Unterschied zu börsennotierten Publikumsgesellschaften) in angemessener Weise Rechnung tragen. Dieser Zielsetzung genügt eine Beschränkung der freien Übertragbarkeit, wie sie bereits bislang bei vielen Familienunternehmen üblich ist. Weitergehende Verfügungsbeschränkungen würden die erforderliche Flexibilität von Familienunternehmen dagegen in unangemessener Weise einschränken.

 

Rz. 177

Insgesamt ist somit davon auszugehen, dass mit der Verfügungsbeschränkung die Beschränkung der freien Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile gemeint ist. Eine Verpflichtung, die Anteile nur einheitlich zu übertragen, ist ausreichend (aber auch notwendig). Die Vorschrift ist nach ihrem Normzweck daher insoweit einschränkend auszulegen.[4]

 

Rz. 178

Die Verpfändung eines Geschäftsanteils ist somit (noch) keine Verfügung i. S. d. Erbschaftsteuergesetzes.[5] Der Verpfänder bleibt unverändert Gesellschafter der Gesellschaft. Eine Übertragung des Geschäftsanteils erfolgt nicht. Erst nach Eintritt der Pfandreife kommt es zu einer Veräußerung des Gesellschaftsanteils und damit auch zu einer steuerschädlichen Verfügung.

 

Rz. 179

Bei der Bestellung eines Nießbrauchs an Gesellschaftsanteilen ist zwischen den einzelnen Nießbrauchsarten zu unterscheiden (abweichend die FinVerw, die darauf abstellt, ob das Stimmrecht beim Nießbrauchbesteller verbleibt).[6]

 

Rz. 180

Beim Zuwendungsnießbrauch verbleibt die Vermögenssubstanz beim bisherigen Eigentümer, während das Nutzungsrech...

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