Rz. 8c
Ungeklärt war bislang die Frage, ob Art. 56 EG-Vertrag in Verbindung mit Art. 58 EG-Vertrag auch Zuwendungsbeteiligte schützt, die nicht in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat ansässig sind (Drittstaatenfälle). Der Gesetzgeber hatte diese Fälle bislang nicht in die Neuregelung nach § 2 Abs. 3 ErbStG einbezogen. Der EuGH hat im Jahr 2013 in der Rechtssache "Welte" entschieden, das Art. 56 und 58 EG-Vertrag für Drittstaatenfälle in gleicher Weise wie im Fall "Mattner" einschlägig sind. Danach haben auch Erwerber in Drittstaaten (z. B. wie im Entscheidungsfall in der Schweiz) Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein Erbe, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Rz. 8d
Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz musste damit hinsichtlich der Freibeträge für beschränkt Stpfl. erneut geändert werden.
Hintergrund der Neuregelung war neben der Entscheidung "Welte" insbesondere das EuGH-Urteil vom 8.6.2016, BFH/NV 2016, 1244, Rechtssache C-479/14 ("Hünnebeck").
Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache "Hünnebeck" entschieden, dass die Gewährung eines niedrigeren Freibetrages bei Schenkungen unter Gebietsfremden (Fälle der beschränkten Steuerpflicht) auch dann gegen Art. 63 AEUV und 65 AEUV verstößt, wenn dem Erwerber die Möglichkeit der Besteuerung als unbeschränkt steuerpflichtiger Erwerb eingeräumt wird, er den entsprechenden Antrag aber nicht stellt. Besonders kritisch ist es nach der EuGH-Entscheidung, wenn die Antragstellung bewirkt, dass für die Berechnung der Steuer auf die betreffende Schenkung alle Schenkungen, die dieser Schenkungsempfänger in den 10 Jahren vor und den 10 Jahren nach der Schenkung von derselben Person erhalten hat, zusammengerechnet werden. Die damit möglicherweise verbundene Minderung des Wertes von betroffenem Inlandsvermögen des beschränkt Stpfl. muss nach Auffassung des EuGH nicht hingenommen werden.
Zusammenfassend kann nach Auffassung des EuGH ein benachteiligender Verstoß gegen die Grundfreiheiten (hier der Kapitalverkehrsfreiheit), vorliegend die benachteiligende Freibetragshöhe des § 16 Abs. 2 ErbStG, nicht mit einer Optionsregelung (§ 2 Abs. 3 ErbStG) geheilt werden und zwar schon gar nicht, wenn auch die Option mit Risiken und Nachteilen behaftet ist.
Der EuGH akzeptiert auch nicht die von deutscher Seite vorgebrachte Rechtfertigung, wonach die hohen Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG nur dann systemkonform sind, wenn der gesamte Erwerb und nicht nur der Inlandserwerb in Deutschland steuerpflichtig ist.