Rz. 236
Der Steuererlass aufgrund der Verschonungsbedarfsprüfung ist kraft Gesetzes zwingend an die Einhaltung von mehreren Bedingungen geknüpft (§ 28a Abs. 4 ErbStG).
Rz. 237
Dabei handelt es sich (zunächst) um die folgenden 3 Bedingungen
- kein Erwerb von (weiterem) verfügbarem Vermögen innerhalb von 10 Jahren nach der Entstehung der Steuer durch Schenkung oder von Todes wegen (§ 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ErbStG).
Mit dem "Jahressteuergesetz 2018" wurden die gesetzlichen Bedingungen für den Steuererlass nochmals erweitert, und zwar insbesondere um Fälle der späteren Änderung der Steuer- bzw. Feststellungsbescheide (§ 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 4–6 und Abs. 6 und § 37 Abs. 16 S. 2 ErbStG).
Rz. 238
Bei Verstoß gegen eine dieser Bedingungen entfällt der Steuererlass rückwirkend (§ 28a Abs. 4 S. 2 ff. ErbStG). Die zunächst erlassene Erbschaft- oder Schenkungsteuer lebt dann (ganz oder teilweise) wieder auf.
Rz. 239
Der Gesetzgeber hat das Modell des auflösend bedingten Steuererlasses zunächst u. a. wie folgt begründet:
Zitat
Wie bei der Steuerbefreiung nach § 13 a ErbStG ist es bei einem Erlass der Steuer auf begünstigtes Vermögen aufgrund der Verschonungsbedarfsprüfung angemessen, dass der Erlass rückwirkend seine Wirkung (Erlöschen der Steuerschuld nach § 47 AO) verliert, soweit der Steuerschuldner die Lohnsummenbedingung nicht einhält. Die Regelungen in § 13 a Absatz 3 Satz 5 bis 13 ErbStG zur Ermittlung der Lohnsummen sind entsprechend anzuwenden. Da der Steuerschuldner im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung einen vollständigen Erlass der Steuer erreichen kann, ist es angemessen, die Mindestlohnsumme bei einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren nach § 13 a Absatz 10 Nummer 3 bis 5 ErbStG entsprechend der Vollverschonung festzulegen.
Der Erlass verliert ebenfalls rückwirkend seine Wirkung, soweit der Steuerschuldner das begünstigte Vermögen oder Teile hiervon innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb veräußert oder aufgibt. Hierbei werden in der Regel Mittel zur (zusätzlichen) Tilgung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer frei. Die einzelnen Voraussetzungen für den Wegfall des Erlasses entsprechen denen in § 13 a Absatz 6 ErbStG.
Soweit der Steuerschuldner innerhalb von zehn Jahren nach dem jetzt zu besteuernden Erwerb von derselben oder einer anderen Person weiteres Vermögen erhält, das definitionsgemäß zum verfügbaren Vermögen zählt, verliert der Erlass ebenfalls rückwirkend seine Wirkung. Damit werden Gestaltungen durch eine zeitlich gestreckte Übertragung – erst begünstigtes Vermögen, später nicht begünstigtes Vermögen – vermieden. Die Frist von zehn Jahren orientiert sich an der Frist des § 14 ErbStG. In einem solchen Fall kann der Steuerschuldner auf erneuten Antrag einen Erlass unter Berücksichtigung des erhöhten verfügbaren Vermögens erhalten.
Der Widerrufsvorbehalt für den Verwaltungsakt (Erlass) als unselbständige Nebenbestimmung erfolgt kraft Gesetzes. Er ermöglicht es, bei einer Änderung der Steuerfestsetzung auch den Verwaltungsakt über den Erlass der Steuer entsprechend zu ändern. Tritt eine auflösende Bedingung im Sinne von Satz 1 ein, ist der Verwaltungsakt über den Erlass der Steuer kraft Gesetzes mit Wirkung für die Vergangenheit ganz oder teilweise zu widerrufen. Eines Widerrufsvorbehalts im Verwaltungsakt bedarf es hierbei nicht. Mit dem Widerruf entfällt kraft Gesetzes rückwirkend die Erlöschenswirkung des Erlasses (§ 47 der Abgabenordnung). Satz 2 verdrängt insoweit § 131 Absatz 2 der Abgabenordnung der den Widerruf eines (im Zeitpunkt seines ursprünglichen Ergehens) rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nur mit Wirkung für die Zukunft zulässt.
Rz. 240
Die im Jahr 2018 erfolgten Erweiterungen der Widerrufsmöglichkeiten (§ 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 4–6 und Abs. 6 und § 37 Abs. 16 S. 2 ErbStG) wurden in den amtlichen Gesetzesmaterialien wie folgt gerechtfertigt:
Zitat
Eine durch einen Erlass erloschene Steuerschuld lebt nur dann wieder auf, wenn der Erlass mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt wird. Bei der verwaltungstechnischen Umsetzung des Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 2016 (BGBl I S. 2464) sind zusätzliche Fallkonstellationen bekannt geworden, die eine Beseitigung des gewährten Erlasses mit Wirkung für die Vergangenheit erforderlich machen. Dies ist der Fall, wenn nachträglich für die Erlasshöhe entscheidende Wertansätze erstmalig zum Ansatz kommen oder geändert werden, wenn die dem Erlass zugrundeliegende Steuerfestsetzung geändert wird oder wenn begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG aufgrund einer Verpflichtung an Dritte weiterübertragen wird. Diesem Bedarf wird durch die Änderung Rechnung getragen. Ohne die Änderung käme es zu einer ...