1 Allgemeines
Rz. 1
§ 29 Abs. 1 ErbStG ordnet unter näheren Voraussetzungen ein Erlöschen der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit an; zu den verfahrensrechtlichen Fragen vgl. Rz. 80 ff. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wurde durch das ErbStRG um Satz 2 erweitert.
Der Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG beschränkt sich auf Sachverhalte, in denen der Beschenkte eine von ihm letztlich nicht zu vertretende – d. h. nicht auf seinem freien Willen beruhende – Entreicherung erfährt. Eine ähnliche Zielsetzung liegt auch § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zugrunde.
Rz. 2
Im Zusammenhang mit der Rückabwicklung einer Schenkung ist unbedingt der für das ErbStG geltende Grundsatz zu beachten, dass die für die Schenkung entstandene Steuer nicht durch eine freiwillige Rückgängigmachung der Schenkung (Rückschenkung) oder Rückerwerb von Todes wegen entfällt. Bei der (freiwilligen) Rückabwicklung einer Schenkung bleibt es jedoch u. U. nicht nur bei der Steuerfestsetzung für die ursprüngliche Zuwendung. Zusätzlich kann – soweit nicht § 29 ErbStG eingreift – auch die etwaige Rückschenkung der Steuer zu unterwerfen sein. Dabei kann für die Rückschenkung u. U. eine im Vergleich zur Hinschenkung ungünstigere Steuerklasse anzuwenden sein; eine Minderung der Steuerlast ist – weil nur für Erwerbe von Todes wegen geltend – weder durch § 13 Abs. 1 Nr. 10 noch durch § 27 ErbStG möglich. Soweit hingegen der Zuwendungsgegenstand aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung herauszugeben ist, unterliegt die tatsächliche Herausgabe mangels Freigebigkeit nicht der Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Rz. 3
Zweifellos ist diese Rechtslage vornehmlich bei einer Rückschenkung innerhalb kurzer Frist unbefriedigend.
Die Vertragspraxis kann dem Risiko einer u. U. doppelten steuerlichen Belastung (durch eine steuerpflichtige Rückschenkung) z. B. durch Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsvorbehalts oder Rückforderungsrechts, ggf. sowohl für die Hin- als auch für die Rückschenkung begegnen. Bei Rückabwicklung einer Schenkung muss ferner sorgfältig geprüft werden, ob schon eine Ausführung der ersten Schenkung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) vorlag. In Betracht kommt u. U. auch ein stillschweigend vorbehaltenes und geltend gemachtes Rücktrittsrecht.
Rz. 4
Der Gesetzgeber könnte dadurch Abhilfe schaffen, dass er in das ErbStG eine dem § 16 GrEStG entsprechende Bestimmung einfügt.
Rz. 5
§ 29 Abs. 2 ErbStG belässt es bei der Besteuerung des ursprünglichen Erwerbs, soweit dem Erwerber vor der Rückgabe die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben.
2 Erlöschen der Steuer (§ 29 Abs. 1 ErbStG)
Rz. 6
§ 29 Abs. 1 ErbStG ordnet unter seinen näheren Voraussetzungen ein Erlöschen der Steuer für die Vergangenheit an. Zu den sich daraus ergebenden verfahrensrechtlichen Folgerungen vgl. Rz. 80 ff. Zahlungen nach § 10 Abs. 5 ErbStG (z. B. zur Abwehr etwaiger Herausgabeansprüche des Vertragserben) sind neben § 29 Abs. 1 ErbStG anwendbar.
2.1 Herausgabe eines Geschenks wegen Rückforderungsrecht (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)
Rz. 7
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Die Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass die Schenkungsteuer für das später herauszugebende Geschenk überhaupt entstanden war (zur Steuerentstehung § 7 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und das Rückforderungsrecht dem Schenker zusteht. Das Rückforderungsrecht kann sich sowohl aus Gesetz als auch aufgrund vertraglicher Vereinbarung ergeben.
2.1.1 Herausgabe des Geschenks
Rz. 8
Ein "Geschenk" i. S. d. Bestimmung ist jeder Vermögensgegenstand, der aufgrund einer Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 ErbStG) erworben wurde; ebenfalls erfasst sind Erwerbe kraft Schenkung auf den Todesfall i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Das Geschenk muss ferner "herausgegeben" worden sein.
Erforderlich ist die tatsächliche Herausgabe des Geschenks. Der Schenker muss seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt haben. Die bloße Verpflichtung zur Rückgabe oder der nur formale Widerruf der Schenkung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Das muss auch dann gelten, wenn das Schenkungsversprechen nichtig war und auch nicht durch den Vollzug der Schenkung geheilt wurde. Dies folgt aus § 41 AO, der unwirksame Rechtsgeschäfte bis zu ihrer Rückabwicklung steuerlich als wirksam betrachtet. Scheidet im Einzelfall die körperliche Herausgabe des Geschenks aus und bedarf ...