Rz. 26
§ 2a ErbStG wirft die grundlegende Frage auf, ob die nach dem Inkrafttreten des MoPeG verbliebenen Unterschiede zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften noch die im ErbStG vorgesehene Ungleichbehandlung beider Rechtsformen rechtfertigen.
Rz. 27
Die Rechtsformabhängigkeit der Besteuerung ist seit Jahrzehnten ein Dauerthema der Steuerpolitik. Vielfach wird die Rechtsformneutralität als Qualitätskriterium guter Steuergesetzgebung verstanden. Verfassungsrechtlich geboten ist die rechtsformneutrale Besteuerung jedoch nicht.
Rz. 28
Das BVerfG führte hierzu aus: "Art. 3 Abs. 1 GG zwingt nicht zu einer materiellen (wirtschaftlichen) Betrachtung, nach der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unabhängig von der jeweiligen Rechtsform entsteht, die als Instrument zur Erzielung der Einkünfte eingesetzt wird (BVerfGE 116, 164, 198 ff.). Von Verfassungs wegen ist entscheidend, ob es einen hinreichenden sachlichen Grund für die unterschiedliche steuerliche Behandlung von unternehmerischen Tätigkeiten gibt. Einen solchen liefert die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern. Mit dem eigenständigen steuerlichen Zugriff auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nimmt das Steuerrecht die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, die das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft von dem Vermögen ihrer Gesellschafter trennt und zugleich die Haftung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt (§ 1 AktG, § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG). Bei der Personengesellschaft ordnet dagegen das Zivilrecht – ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaft (§ 124 HGB, § 161 Abs. 2 HGB) – das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern als gemeinschaftliches Vermögen zu (§ 718 Abs. 1 BGB i. V. m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB); die Gesellschafter haften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich persönlich auch mit ihrem sonstigen Vermögen (§ 128, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1 HGB). Die auf diese Weise bewirkte stärkere Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern hat zur Folge, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige Leistungsfähigkeit entsteht, die getrennt von der individuellen Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen besteuert werden darf (...)."
Rz. 29
Ausgehend von diesem Urteil des BVerfG ist mit der Streichung des § 718 BGB a. F. und der Neufassung des § 713 BGB n. F. eine wesentliche Säule der Rechtfertigung der gesonderten steuerlichen Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften entfallen.
Gleichwohl erscheint eine unterschiedslose steuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften auch nach Inkrafttreten des MoPeG nicht zwingend geboten: Ein grundlegender Unterschied ist der nach wie vor geltende Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften (§§ 715, 720 BGB n. F.) im Gegensatz zur Fremdorganschaft bei Kapitalgesellschaften. Auch ist der Personengesellschaft gem. § 711 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. der Erwerb eigener Anteile verwehrt, während dies der GmbH in den Grenzen des § 33 GmbHG und der Aktiengesellschaft in den Grenzen des § 71 AktG möglich ist. § 712a BGB n. F. schließt zudem im Gegensatz zur Einmann-GmbH bzw. Einmann-AG die Einmann-Personengesellschaft aus.
Rz. 30
Die steuerlichen Konsequenzen aus dem MoPeG sollten daher bezogen auf das konkrete Einzelsteuergesetz beurteilt werden. Im ErbStG unterscheiden sich Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften insbesondere in zwei Punkten: § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erklärt das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft zum begünstigungsfähigen Vermögen, während Anteile an einer Kapitalgesellschaft gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erst ab einer Mindestbeteiligung von mehr als 25 % – allein oder im Rahmen einer Poolvereinbarug mit anderen gehalten – begünstigungsfähig sind. Zur Rechtfertigung dieser Unterscheidung lässt sich nach wie vor die sehr begrenzte Rechtsposition des Minderheitsgesellschafters einer Kapitalgesellschaft bei Unterschreiten der Sperrminoriät anführen.
Rz. 31
Daneben bestimmt § 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG, dass die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen bei einer Personengesellschaft stets schädlich ist, während diese Rechtsfolge gem. § 13a Abs. 6 Nr. 4 ErbStG bei einer Kapitalgesellschaft erst dann eintritt, wenn der Erlös an die Gesellschafter ausgeschüttet wird. Es stellt sich die Frage, ob diese Differenzierung nach der neuen Vermögenszuordnung in der Personengesellschaft noch uneingeschränkt überzeugen kann. De lege ferenda erscheint eine Erstreckung des Regelungsgedanken des § 13a Abs. 6 Nr. 4 ErbStG auf Personengesellschaften erwägenswert.
Rz. 32-35
einstweilen frei