4.1 Verzicht auf den Zugewinnausgleichsanspruch ohne Abfindung
4.1.1 Verzicht auf einen entstandenen Zugewinnausgleichsanspruch
Rz. 87
Die Zugewinnausgleichsforderung entsteht nach § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB mit Beendigung des Güterstands. Verzichtet der ausgleichsberechtigte Ehegatte i. R. d. notariellen Vertrags, der den Güterstandswechsel herbeiführt, auf die bereits entstandene Forderung, soll dies, sofern ein Wille zur Unentgeltlichkeit gegeben ist, eine Schenkung unter Lebenden an den ausgleichsverpflichteten Ehegatten oder dessen Erben bewirken können.
Rz. 88
Hiergegen wird vorgebracht, dass der Ausgleichsanspruch in der vom Gesetz vorgesehenen Höhe niemals entstanden sei, sodass der Verzicht auch keinen Besteuerungstatbestand auslösen könne. Richtigerweise wird man – wie beim Pflichtteilsanspruch – danach differenzieren müssen, ob der Anspruch "geltend gemacht" wurde oder nicht. Ein Verzicht auf einen nicht geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruch ist nicht steuerbar.
4.1.2 Verzicht auf die Ausgleichsforderung vor Beendigung des Güterstands
Rz. 89
Einigkeit besteht, dass ein Verzicht auf die Ausgleichsforderung vor ihrem Entstehen, d. h. vor Beendigung des Güterstands, keine freigebige Zuwendung an den ausgleichsverpflichteten Ehegatten bzw. seine Erben darstellen könne. Denn zivilrechtlich stelle das Unterlassen eines Vermögenserwerbs durch Verzicht auf ein noch nicht endgültig erworbenes Recht nach § 517 BGB keine Schenkung dar.
4.2 Verzicht auf den Zugewinnausgleichsanspruch gegen Abfindung
Rz. 90
Verzichtet der ausgleichsberechtigte Ehegatte anlässlich der Beendigung des gesetzlichen Güterstands auf seinen Ausgleichsanspruch gegen Abfindung oder Leistung an Erfüllung statt (zu den ertragsteuerlichen Risiken vgl. Götz, FamRB 2004, 89), bleibt der Abfindungsbetrag ebenso wie die Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 2 ErbStG im Grundsatz steuerfrei.
4.2.1 Abfindung unter Wert
Rz. 91
Bleibt die Abfindung hinter der vom Gesetz vorgesehenen Höhe zurück, liegt darin keine teilweise Schenkung des ausgleichsberechtigten Ehegatten an den ausgleichsverpflichteten Ehegatten oder dessen Erben. Denn den Ehegatten steht es zivilrechtlich frei, sich aus Vereinfachungsgründen über die Höhe vergleichsweise zu einigen, um aufwendige Ermittlungen des Anfangs- und Endvermögens zu vermeiden. Da § 5 Abs. 2 ErbStG den Zugewinnausgleichsanspruch in der Höhe freistellt, wie er zivilrechtlich ermittelt wurde, ist auch ein vergleichsweise ermittelter (niedrigerer) Ausgleichsbetrag steuerlich anzuerkennen. Für eine hinsichtlich des Differenzbetrags erfolgte Zuwendung fehlt es in diesen Fällen am Willen zur Unentgeltlichkeit. Denn beide Parteien gehen davon aus, dass genau der vergleichsweise ermittelte Ausgleichsbetrag dem Ausgleichsberechtigten zusteht.
4.2.2 Abfindung höher als der rechnerische Zugewinn
Rz. 92
Übersteigt die Abfindung den vom Gesetz vorgesehenen Betrag, liegt darin eine gemischte Schenkung.
Rz. 93
Diese Konstellation darf nicht mit derjenigen verwechselt werden, bei der die Ehegatten durch ehevertragliche Modifikation die Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs zivilrechtlich zulässig angepasst haben. Haben nämlich die Ehegatten durch ehevertragliche Regelung z. B. das Anfangsvermögen übereinstimmend mit 0 angesetzt, obwohl der – später ausgleichsverpflichtete – Ehegatte über ein Anfangsvermögen verfügte, ist dies auch steuerlich anzuerkennen.
Rz. 94
Die FinVerw und ihr folgend der BFH will in diesen Fällen eine Zuwendung jedenfalls in den Fällen bejahen, in denen die ehevertragliche Vereinbarung in erster Linie eine überhöhte Ausgleichsforderung verschaffen soll. Von einer überhöhten Ausgleichsforderung kann indes nicht gesprochen werden, wenn die Ehegatten für die Ermittlung des Anfangsvermögens auf den Zeitpunkt der Eheschließung abgestellt haben. Der BFH sieht allenfalls bei der Ermittlung des Anfangsvermögens eine Überhöhung als möglich an, wenn die Ehegatten auf einen vor der Eheschließung liegenden Zeitpunkt abstellen. Dies dürfte indes praktisch nie relevant werden.
Unklar und in sich widersprüchlich sind in diesem Zusammenhang die Aussagen der FinVerw in R E 5.2 Abs. 2 S. 3 und S. 4 ErbStR 2019. Denn die in R E 5.2 Abs. 2 S. 3 ErbStR 2019 enthaltene These, eine Überhöhung liege "z. B. durch Vereinbarung eines vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegenden Beginns des Güterstandes" vor, wird im folgenden Satz 4 als unschädlich erachtet.