Rz. 900

[Autor/Stand] Regelungsgegenstand. Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 ist für die Bestimmung des Fremdvergleichspreises ein hypothetischer Fremdvergleich unter Beachtung von § 1 Abs. 1 Satz 3 aus Sicht des Leistenden und des jeweiligen Leistungsempfängers anhand ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden durchzuführen, wenn keine Vergleichswerte festgestellt werden können. Mithin kommt die Verrechnungspreisbestimmung mittels Durchführung eines hypothetischen Fremdvergleichs erst nachrangig dann in Betracht, wenn nach keiner geeigneten Verrechnungspreismethode zuverlässige Vergleichswerte bestimmt werden können.[2] In folgenden Fällen geht die deutsche Finanzverwaltung von einer Verrechnungspreisbestimmung mittels hypothetischen Fremdvergleichs aus:

  • wenn immaterielle Werte oder Rechte Gegenstand eines Geschäftsvorfalls sind,
  • wenn Verrechnungspreise i.R. einer Funktionsverlagerung zu bestimmen sind,
  • wenn bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode keine Vergleichswerte für die Ermittlung von Werten bestimmt werden können.[3]

Diese nachrangige Anwendung unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dem bisher in § 1 Abs. 3 a.F. angelegten Stufenverhältnis (Rz. 856). Ebenso bestehen keine Unterschiede dahingehend, dass der in § 1 Abs. 3 Satz 7 konkret gesetzlich geregelte hypothetische Fremdvergleich nicht jede Bestimmung von Soll-Vergleichstatbeständen durch "ökonomisches Nachdenken"[4] erfasst, sondern nur eine solche, die bezogen auf den Leistenden und den Leistungsempfänger durch Anwendung ökonomisch anerkannter Bewertungsverfahren erfolgt.

Zwar ist der hypothetische Fremdvergleich von seiner Grundkonzeption ein Denkmodell, bei dem gemessen am Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf Seiten des leistungserbringenden wie auf Seiten des leistungsempfangenden Unternehmens (doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, Rz. 227 ff.) Soll-Vergleichstatbestände für beide Kontrahenten durch Nachdenken ermittelt werden und ein Preisbildungsprozess simuliert wird (Rz. 902 ff.).[5] Nach welchen Grundsätzen die Preisgrenzen als Soll-Vergleichstatbestände konkret zu bestimmen sind, ist gesetzlich jedoch lediglich für den hypothetischen Fremdvergleich in Gestalt der sog. Einigungsbereichsbetrachtung geregelt (ausdrücklich nur noch in § 1 Abs. 3a Satz 5).

Jede andere Bestimmung von Soll-Vergleichstatbeständen für einen Soll-Ist-Vergleich mag zwar konzeptionell einen hypothetischen Fremdvergleich darstellen. Es ist jedoch kein hypothetischer Fremdvergleich im Sinne der gesetzlichen Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 7. Die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden – geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (Rz. 808 ff.) und geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Profit-Split-Method, Rz. 841 ff.) – basiert vor diesem Hintergrund nicht auf dem gesetzlich geregelten hypothetischen Fremdvergleich i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 7.[6] Eine andere Frage ist, ob die Anwendung finanzmathematischer Bewertungsverfahren im Rahmen einer zweiseitigen Bewertung letztlich für sich genommen eine Verrechnungspreismethode darstellt. Die Überlegungen der OECD im Zusammenhang mit der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für immaterielle Werte gehen jedenfalls in diese Richtung.[7] Im innerstaatlichen Recht ist die Verrechnungspreisbestimmung auf der Grundlage ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden i.R. eines hypothetischen Fremdvergleichs hingegen nicht als Bestandteil der Anwendung einer konkreten Verrechnungspreismethode konzipiert. Die Finanzverwaltung stellt Bewertungstechniken im Zusammenhang mit der Verrechnungspreisbestimmung ausschließlich in den Kontext des hypothetischen Fremdvergleichs.[8]

 

Rz. 901

[Autor/Stand] Verhältnis zu § 1 Abs. 3a Sätze 5 und 6. Die gesetzlichen Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 7 sowie in § 1 Abs. 3a Sätze 5 und 6 betreffen insgesamt die Bestimmung des dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Verrechnungspreises, d.h. des Fremdvergleichspreises, mittels Durchführung eines hypothetischen Fremdvergleichs. Hierbei regelt § 1 Abs. 3 Satz 7 die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs bis zur Bestimmung des Grenzpreises des Leistungsempfängers, d.h. der Preisobergrenze bzw. des Höchstpreises des Leistungsempfängers, und des Grenzpreises des Leistungserbringers, d.h. der Preisuntergrenze bzw. des Mindestpreises des Leistungserbringers. § 1 Abs. 3a Satz 5 regelt, dass sich bei der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs aus dem Mindestpreis des Leistenden und dem Höchstpreis des Leistungsempfängers stets ein Einigungsbereich ergibt. Der Gegenstand dieser gesetzlichen Regelung erschließt sich nicht unmittelbar, außer dass der Einigungsbereich sowie die diesen begrenzenden Lageparameter bzw. Grenzpreise, d.h. der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers, als gesetzliche Begriffe eingeführt werden, ohne diese allerdings zu definieren. Für den darüber hinausgehenden Regelungsgegenstand ("stets ein Einigungsbe...

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