Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
"Satz 1 gilt nicht, soweit die Besteuerungsinkongruenz voraussichtlich in einem künftigen Besteuerungszeitraum beseitigt wird und die Zahlungsbedingungen einem Fremdvergleich standhalten."
Rz. 49
Ausnahmeregelung vom Abzugsverbot. § 4k Abs. 1 Satz 2 EStG setzt Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. a Satz 2 Ziffer ii ATAD um. Diese Vorschrift sieht eine – sachgerechte – Ausnahme vom Abzugsverbot nach § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG in den Fällen vor, in denen die den Aufwendungen entsprechenden Erträge zwar nicht sofort besteuert werden, die Besteuerungsinkongruenz aber voraussichtlich in einem künftigen Besteuerungszeitraum beseitigt wird und die Zahlungsbedingungen einem Fremdvergleich standhalten. Dadurch soll berücksichtigt werden, dass in einigen Fällen eine Besteuerung der Erträge im Ausland erst zeitlich nachgelagert erfolgt. Typische Anwendungsfälle für diese Ausnahme sind Konstellationen, in denen Zinsaufwendungen im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleichs als Betriebsausgaben in Deutschland geltend gemacht werden, während der Gläubigerstaat die Zahlungen betreffenden Zinserträge nach Maßgabe des Zuflussprinzips erst später besteuert. Ein weiterer Anwendungsfall wäre auch eine zeitversetzte Erfassung von Hinzurechnungsbeträgen auf Anteilseignerebene – z.B. ein Jahr später im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung. Eine Anwendung des Abzugsverbots gemäß § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG auf die damit verbundenen Zinsaufwendungen wäre in diesen Konstellationen nicht sachgerecht. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur zurecht die Auffassung vertreten, dass die Rückausnahme gemäß § 4k Abs. 1 Satz 2 EStG praktisch obsolet ist, weil eine lediglich temporäre Differenz gerade nicht auf einem Qualifikationskonflikt i.S.d. § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG zwischen dem Quellenstaat Deutschland und dem Gläubigerstaat beruht.
Rz. 50
Voraussichtliche Beseitigung in einem künftigen Besteuerungszeitraum. Das Abzugsverbot greift nicht, wenn Nichtbesteuerung oder Niedrigbesteuerung der mit den Zinsaufwendungen verbundenen Erträge "voraussichtlich" in einem künftigen Besteuerungszeitraum beseitigt werden. Allerdings lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung entnehmen, was in zeitlicher Hinsicht unter "voraussichtlich" zu verstehen ist. Diese Frage ist nach Maßgabe aller im Einzelfall vorliegenden Umstände zu beurteilen. In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Beseitigung der Besteuerungsinkongruenz zumindest zu 50 % wahrscheinlich sein müsse. Es dürfte aber bei der Ausnahme vom Abzugsverbot auch in den Fällen bleiben, in denen eine Beseitigung der Besteuerungsinkongruenz – vorbehaltlich einer entsprechenden Dokumentation – zwar absehbar ist, aber dennoch später nicht eintritt. Umgekehrt sollte ein rückwirkender Betriebsausgabenabzug auch in den Fällen gewährt werden, in denen ursprünglich von keiner künftigen Beseitigung ausgegangen wurde, eine solche aber später doch noch eintritt.
Rz. 51
Fremdvergleich der Zahlungsbedingungen. Die Ausnahmeregelung des § 4k Abs. 1 Satz 2 EStG setzt ferner voraus, dass die Zahlungsbedingungen dem Fremdvergleich standhalten. Der Wortlaut "Zahlungsbedingungen" spricht dafür, dass hierbei nicht bloß auf die fremdvergleichsübliche Höhe der Aufwendungen abzustellen ist. Das Erfordernis der Fremdüblichkeit soll damit eine "permanente" Verschiebung von zeitlichen Besteuerungsdifferenzen bis in alle Ewigkeit ausschließen. Nach welchen Kriterien dieser Fremdvergleich durchzuführen ist, bleibt nach der Vorschrift völlig offen. Nach Maßgabe der ATAD ist – im Anschluss an eine ohne weitere Bedingungen eingeräumte Karenzzeit von zwölf Monaten nach Ende eines Besteuerungszeitraums – auf eine "vernünftigerweise anzunehmende Berücksichtigung in einem noch späteren Besteuerungszeitraum" abzustellen. Zudem geht es in § 4k Abs. 1 Satz 2 EStG um die Beseitigung einer Besteuerungsinkongruenz im Rahmen einer nachgelagerten Besteuerung der Erträge, welche als Betriebsausgaben in Deutschland nicht zum Abzug zugelassen wurden. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, warum die Anwendung dieser – steuersystematisch völlig sachgerechten – Ausnahmeregelung von einer – wie auch immer gearteten – Fremdüblichkeit abhängig gemacht wird.