Rz. 4
Verortung im Gesetz. Die gesetzestechnische "Einsortierung" der nationalen Umsetzung zur länderbezogenen Berichtspflicht erfolgte in der AO im Unterabschnitt "Anzeigepflichten". Dies mag auf den ersten Blick verwundern, da die mit der Verrechnungspreisthematik im Zusammenhang stehenden Pflichten der Erstellung von "Master File", "Local File" und "CbC-Report" den gemeinsamen Ausgangspunkt im BEPS-Aktionspunkt 13 (vgl. Anm. 1) haben und eine thematische Überschneidung des länderbezogenen Berichts mit den Konzernverrechnungspreisdokumentationen i.S.v. § 90 Abs. 3 AO nicht gänzlich fern liegt. Dennoch ist die systematische Einordnung der länderübergreifenden Berichterstattung in § 138a AO durch den deutschen Gesetzgeber zutreffend erfolgt. Denn nach den Angaben von OECD, EU und deutschem Gesetzgeber dient die länderbezogene Berichterstattung als Hilfestellung einer allgemeinen Risikoabschätzung bezüglich der Verrechnungspreisgestaltung in Konzernen sowie zur Beurteilung anderer Gewinnverkürzungs- und -verlagerungsrisiken. Sie soll Basisdaten für wirtschaftliche oder statistische Analysen durch die Steuerverwaltungen liefern. Dies zeigt, dass es sich bei dem länderbezogenen Bericht nicht um einen Teil der Verrechnungspreisdokumentation i.S.v. § 90 Abs. 3 AO handelt, sondern dieser vielmehr Informationsinstrument ist, welches eine sachlich fundierte Risikoabschätzung hinsichtlich der Verrechnungspreisgestaltung bei Konzernen ermöglichen soll. Bestätigt wird dies sowohl durch die Ausführungen von OECD als auch durch den deutschen Gesetzgeber, die beide betonen, dass die Berichtsdaten nicht für eine globale, formelhafte Gewinnaufteilung verwendet werden dürfen. Allein basierend auf den CbC-Reportdaten soll keine Einkünftekorrektur möglich sein. Der CbC-Report stellt somit ein abstraktes Risikoeinschätzungsinstrument dar, welches eigenständig neben der Konzernverrechnungspreisdokumentation steht. Ferner handelt es sich bei der Berichtspflicht um eine proaktive Anzeigepflicht und nicht um eine erst auf Anforderung der Finanzverwaltung ausgelöste Mitwirkungspflicht, so dass die Nähe zu anderen Anzeigepflichten, wie z.B. § 138 AO, naheliegt.
Rz. 5
Normenzusammenhänge. Entsprechend den Vorgaben von OECD und EU ist im Hinblick auf den länderbezogenen Bericht – im Gegensatz zu den Daten von "Master File" und "Local File" – der automatische Informationsaustausch zwischen den verschiedenen nationalen Steuerbehörden vorgesehen. Die Übermittlungspflicht der länderbezogenen Berichte an die zuständigen Steuerbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten ergibt sich dabei einerseits unmittelbar aus § 138a Abs. 7 Satz 2 AO sowie zusätzlich aus den § 7 Abs. 10–12 EUAHiG, welche die Vorgaben der EU ins deutsche Recht umsetzen. Darüber hinaus ist ein automatischer Informationsaustausch über länderbezogene Berichte an Steuerbehörden von Drittstaaten auf der Grundlage von Art. 6 des Europarats-/OEDC-Übereinkommens 1988/2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen i.V.m. der Mehrseitigen Vereinbarung vom 27.1.2016 zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte möglich. Deutschland hat das OECD-Amtshilfeübereinkommen ratifiziert und die Mehrseitige Vereinbarung vom 27.1.2016 mittels eines besonderen Gesetzes zu innerstaatlich anwendbarem Gesetz erklärt. Damit kann die automatische Übermittlung eines länderbezogenen Berichts über den Kreis der anderen EU-Mitgliedstaaten hinaus an diejenigen Drittstaaten übermittelt werden, die die Mehrseitige Vereinbarung und gleichzeitig auch das OECD-Amtshilfeübereinkommen unterzeichnet und ratifiziert haben. Darüber hinaus kann der Austausch auch aufgrund anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen, wie etwa aufgrund von DBA oder Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch (TIEA) erfolgen.
Rz. 6
Kritik an dem OECD-Konzept zum länderbezogenen Bericht. Die steuerliche Einkunftsabgrenzung für Konzerne mit Konzernunternehmen in verschiedenen Staaten folgt – nach weitgehendem internationalem Konsens – dem Fremdvergleichsgrundsatz (sog. "dealing at arm´s length principle"), d.h., die Preise für die einzelnen konzerninternen Leistungen sollen dem entsprechen, was fremde Dritte miteinander vereinbaren würden. Im Gesamtbild folgt daraus, dass der Anteil eines Konzernunternehmens an dem Gesamtertrag des Konzerns dem Anteil des Konzernunternehmens an der Gesamtwertschöpfung entsprechen soll. Mit anderen Worten soll ein Staat den Teil des Konzerngewinns besteuern dürfen, der auf die Wertschöpfung der dort ansässigen Konzernunternehmen entfällt.
Dem OECD-Konzept zum länderbezogenen Bericht liegt die Idealvorstellung zugrunde, dass sich aus einer staatenbezogenen Verteilung gewisser Schlüsselgrößen eines Konzerns (u.a. Umsatzerlöse, Beschäftigtenzahl, materielle Vermögenswerte, gezahlte Ertragsteuern) Rückschlüsse auf die angemessene Verteilung der steuerlichen Erträge auf die einzeln...