a) Allgemeines
„(1) [1] Ein Gläubiger von Kapitalerträgen ... hat ..., wenn er ...”
Rz. 58
Normadressat: Gläubiger der Kapitalerträge. Nach Satz 1 hat der "Gläubiger der Kapitalerträge" nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer auf der Grundlage eines DBA in den von § 50j EStG erfassten Fällen. Gläubiger der Kapitalerträge in diesem Sinne ist – ebenso wie im Sinne des § 50d Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG im Rahmen des von § 50j EStG allein erfassten Erstattungsverfahrens beim BZSt (s. Rz. 54 ff.) – diejenige Person, welche die Einkünfte aus den Aktien oder Genussscheinen (s. Rz. 30) erzielt und damit beschränkt Steuerpflichtiger ist. Nach § 20 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG erzielt die Einkünfte aus Kapitalvermögen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, auf die allein § 50j EStG Anwendung findet (s. Rz. 36), diejenige Person, der die Aktien oder Genussscheine im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses gemäß § 39 AO zuzurechnen sind. Die Zurechnung erfolgt gemäß § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich zum zivilrechtlichen Eigentümer der Aktien oder Genussscheine, kann aber auch nach dessen Abs. 2 eine andere Person, insbesondere gemäß Abs. 2 Nr. 1 den sog. wirtschaftlichen Eigentümer treffen (s. Rz. 61).
Rz. 59
Kumulative Voraussetzungen. § 50j EStG normiert in seinem Abs. 1 Satz 1 kumulative Voraussetzungen, die der Gläubiger der Kapitalerträge im Kapitalertragsteuer-Erstattungsverfahren des § 50d Abs. 1 EStG (s. Rz. 54) sämtlich zu erfüllen hat, um einen DBA-Entlastungsanspruch (s. Rz. 47 ff.) geltend machen zu können. Nach dem Gesetz ist damit nur dann davon auszugehen, dass der Gläubiger der Kapitalerträge kein "Cum/Cum-Treaty-Shopping" (s. Rz. 8) betreibt, wenn er die Wertpapiere lange genug hält (s. Rz. 60 ff.), darüber hinaus ihr wirtschaftliches Risiko trägt (s. Rz. 67 f.) und zusätzlich die Erträge nicht an andere Personen weiterleiten muss (s. Rz. 69 ff.). Daraus folgt beispielsweise, dass bereits der kurzfristige Charakter eines Investments, das die Mindesthaltedauer nach Satz 1 Nr. 1 nicht erreicht, die unwiderlegbare Vermutung eines beabsichtigten "Cum/Cum-Treaty-Shopping" begründet.
b) Einhaltung der Mindesthaltedauer (Satz 1 Nr. 1)
„(1) [1] ...
- 1. während der Mindesthaltedauer nach Absatz 2 hinsichtlich der diesen Kapitalerträgen zugrunde liegenden Anteile oder Genussscheine ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer ist,
...”
Rz. 60
Mindesthaltedauer der Einkunftsquelle Aktien bzw. Genussscheine. Die Anforderungen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zur "Mindesthaltedauer" gelten im Hinblick auf die "Anteile oder Genussscheine", aus denen die Kapitalerträge fließen, die Gegenstand eines Erstattungsantrags nach § 50d Abs. 1 EStG sind (s. Rz. 54). Mit "Anteile[n]" sind ausschließlich Aktien gemeint, da der Abs. 1 Satz 1 des § 50j EStG durch die Bezugnahme auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG nur bei Aktien und Genussscheinen anwendbar ist und die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch den Satz 2 des § 50j Abs. 1 EStG ebenso zu verstehen ist (s. Rz. 30). Die zu beachtende "Mindesthaltedauer" wird in Abs. 2 definiert (s. Rz. 77 ff.). Sie ist zu unterscheiden von der mindestens einjährigen Haltefrist des Abs. 4 Satz 2, welche die Anwendung des § 50j EStG gänzlich ausschließt (s. Rz. 100 ff.). Im Vergleich zur Regelung der Schwestervorschrift des § 36a EStG (vgl. Rz. 15) enthält der Satz 1 Nr. 1 des § 50j Abs. 1 EStG zusätzlich die Formulierung "hinsichtlich der diesen Kapitalerträgen zugrunde liegenden Anteile oder Genussscheine", um klarzustellen, auf welches Wirtschaftsgut sich die Anforderungen zur Mindesthaltedauer beziehen.
Rz. 61
Wirtschaftlicher Eigentümer. Der Gläubiger der Kapitalerträge (s. Rz. 58) muss nach der Formulierung des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 während der Mindesthaltedauer "wirtschaftlicher Eigentümer" der Aktien oder Genussscheine gewesen sein. Der Begriff des "wirtschaftlichen Eigentümers" wird im EStG im Übrigen – mit Ausnahme der Schwestervorschrift des § 36a EStG (vgl. Rz. 15) – nicht verwandt. Gemeint ist damit gewöhnlich die Zurechnung eines Wirtschaftsguts nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Wirtschaftsgüter sind nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem "Eigentümer" zuzurechnen, also dem nach BGB Berechtigten. Anders ist dies jedoch nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO dann, wenn eine andere Person "die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus[übt], dass [sie] den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann". Als Beispiele nennt der Satz 2 des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO u. a. den Treugeber und den Sicherungsgeber. Genau genommen bezeichnet damit der Begriff des "wirtschaftlichen Eigentümers" nur eine Person, die nicht der zivilrechtliche Eigentümer eines Wirtschaftsguts ist, die aber in qualifizierter Weise die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut ausübt. Durch die Verwendung dieses Begriffs darf der Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des §...