Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
a) Unionsrecht
Rz. 37
Primär- und Sekundärrecht. Der mit § 50d Abs. 9 EStG verbundene Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode (s. Rz. 96) verstößt nicht gegen die primärrechtlichen Grundfreiheiten, was der EuGH auch für die insoweit vergleichbare Vorschrift § 20 Abs. 2 AStG entschieden hat und auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum entspricht. Auch ein Verstoß gegen sekundärrechtliche Richtlinien ist grundsätzlich zu verneinen, was sich z.B. in Bezug zur Mutter-Tochter-Richtlinie und zu Dividendeneinkünften vor allem über die Aufrechterhaltung der Steuerfreistellung durch § 8b Abs. 1 KStG (s. Rz. 61) und dem mit § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG vergleichbaren korrespondierenden Besteuerungstatbestand in der Mutter-Tochter-Richtlinie begründen lässt. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, wie bei einer Unionsrechtswidrigkeit der ausländischen Rechtslage zu verfahren ist (s. Rz. 78). Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die Vorschrift mit den Vorgaben der ATAD vereinbar ist. Hier ist durch das ATAD-Umsetzungsgesetz eine Neuregelung geplant (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 EStG-E), das Gesetzgebungsverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Rz. 38
Echte Rückwirkung. Bei der Einfügung von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG durch das JStG 2007 v. 13.12.2006 würde eine rückwirkende Anwendung angeordnet (s. Rz. 27). Die damit offenkundig verbundene echte Rückwirkung ist aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG verfassungswidrig. Die Regelung an sich ist nicht deklaratorischer Natur, auch wenn der Gesetzgeber das – wie so oft – anders sehen mag. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die rückwirkende Anwendung über die möglichen Ausnahmen für eine echte Rückwirkung rechtfertigen lässt. Aus diesem Grund sollte es nach der hier vertretenen Auffassung durch das Inkrafttreten der Regelung zum 1.1.2007 bei einer erstmaligen Anwendung im VZ 2007 bleiben. Mit echter Rückwirkung geändert wurde auch § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG (s. Rz. 30). Die Vorschrift regelt zwar lediglich eine Anwendungsreihenfolge, "verhilft" dadurch aber § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG im Verhältnis zu § 50d Abs. 8 EStG und § 20 Abs. 2 AStG ebenfalls zu einer rückwirkenden Anwendung. Weil es sich auch hier nicht um eine deklaratorische Regelung handelt, die rückwirkende Anwendung auch nicht die Voraussetzungen einer möglichen Ausnahme erfüllt, ist die rückwirkende Anwendung ebenfalls verfassungswidrig, was auch der BFH entschieden und deswegen dem BVerfG vorgelegt hat. Aus diesem Grund sollte die Regelung "erst" ab dem VZ 2013 zur Anwendung kommen (§ 52 Abs. 1 EStG i.d.F. v. 26.6.2013).
Rz. 39
Treaty Override. Dass § 50d Abs. 9 EStG als Treaty Override einzustufen ist (s. Rz. 40) und in der Folge gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 GG oder Art. 25 GG verstoßen könnte, hilft angesichts der Entscheidung des BVerfG zur dementsprechenden Zulässigkeit bei § 50d Abs. 8 EStG derzeit nicht weiter, sodass aktuell nur die abkommenspolitische Kritik daran verbleibt. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich aus den noch nicht entschiedenen Vorlagebeschlüssen des BFH zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG noch neue Erkenntnisse ergeben werden.
c) Abkommensrecht
Rz. 40
Treaty Override. Nach der absolut h.M. ist § 50d Abs. 9 EStG als Treaty Override einzustufen, der völkerrechtlich aber "faktisch sanktionslos" bleibt.
Rz. 41– 45
frei