Rz. 235

[Autor/Stand] Einbeziehung des Vertragspartners. Will man das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters im Interesse eines einheitlichen Fremdvergleichs im deutschen internationalen Steuerrecht sachgerecht anwenden, so kommt man nicht umhin, auch den Vertragspartner in das Kriterium miteinzubeziehen.[2] Der BFH hat diese Notwendigkeit erkannt und unter Änderung seiner ständigen Rspr. zur vGA im Urteil v. 17.5.1995[3] die Einbeziehung des Vertragspartners in den Fremdvergleich vorgenommen. Der BFH führt hierzu aus: "Der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist jedoch nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab geeignet. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen wird. Der ordentliche und gewissenhafte Gesellschafter wird grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft ist. Dabei kann der Vorteil auch darin liegen, daß eine Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht sofort erfüllt werden muß und damit der Gesellschaft Liquidität erhält. Der Fremdvergleich erfordert auch die Einbeziehung des Vertragspartners. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, kann deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. So gesehen ist der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nur ein Teilaspekt des Fremdvergleichs." Damit hat der BFH den von der Betriebswirtschaftslehre nahezu zehn Jahre zuvor entwickelten Vorschlag[4] zur Verdopplung der Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters aufgenommen und seiner nunmehr ständigen Rspr. zugrunde gelegt.

 

Rz. 236

[Autor/Stand] Verdopplung der Rechtsfigur. Es kann also nicht auf die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsleiters nur des einen Unternehmens ankommen, erforderlich ist auch die Einbeziehung des ordentlichen Geschäftsleiters des im anderen Staat ansässigen Unternehmens. Der ordentliche Geschäftsleiter ist damit gewissermaßen zu "verdoppeln", wenn man der im Wirtschaftsleben an sich selbstverständlichen Tatsache Rechnung tragen will, dass Verträge notwendigerweise von mindestens zwei Rechtssubjekten ausgehandelt und abgeschlossen werden. Denn es darf nicht übersehen werden, dass beim Liefer- und Leistungsverkehr zwischen international verbundenen Unternehmen auch aufseiten der ausländischen Gesellschaft ein Geschäftsleiter beteiligt ist, der mit der gebotenen Sorgfalt die Interessen seines Unternehmens zu vertreten hat und den Erwartungen "seines" Fiskus gerecht werden muss.

 

Rz. 237

[Autor/Stand] Gesetzlicher Maßstab für den Fremdvergleich. Der Gesetzgeber hat die Sinnhaftigkeit des "doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" erkannt und diese Rechtsfigur beinahe 25 Jahre nach ihrer "Geburt" als Leitgedanken des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 3 verankert.[7] Hiernach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, "dass die voneinander unabhängigen Dritten [...] nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln." Zu der Zwecksetzung heißt es in der Regierungsbegründung ausdrücklich, dass "anderenfalls das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise nicht erreicht werden kann".[8] Dies verdeutlicht bereits hinreichend, dass die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in ihrer verdoppelten Ausprägung auf den hypothetischen Fremdvergleich zugeschnitten ist und besser in § 1 Abs. 3 Satz 7 (vgl. Rz. 900 ff.) hätte verankert werden sollen. Im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs ist sie hingegen verfehlt. Für den hypothetischen Fremdvergleich erkennt der Gesetzgeber allerdings zutreffend, dass – bezogen auf die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise – erst die Kombination zweier Fremdvergleichswerte (Preisunter-/Preisobergrenze) zwei kontrahierende ordentlicher Geschäftsleiter (Käufer/Verkäufer) zu einem Fremdvergleichspreis führt. Nach welchem Maßstab ihr Handeln zu beurteilen ist, bringt die Gesetzesbegründung zweifelsfrei zum Ausdruck: "nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ".[9]

 

Rz. 238

[Autor/Stand] Normverhalten/Soll-Vergleichstatbestand. In diesem Zusammenhang kann das Verhalten "unabhängiger Dritter", soweit ein tatsächlicher Fremdvergleich mangels Existenz uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbarer Vergleichsdaten scheitert, durch das Normverhalten der ordentlichen Geschäftsleiter im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs konkretisiert werden. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters erfährt dadurch als objektivierender Bezugspunkt eine eigenständige Bedeutung, was "letzten Endes auf eine Angemessenheitsprüfung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien" hinausläuft.[11] Dieser Maßstab erweist sich jedoch nicht allein als Ergänzungskriterium eines hypothetischen, sondern auch als neutraler Bezugspunkt bei einem tatsächlichen Fremdvergleich und somit auch für die Auslegung des § 1 insg...

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