Rz. 2904

[Autor/Stand] Bedingter Vorrang des DBA. Sind die vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 8 gegeben, ist die betriebsstättenbezogene Gewinnabgrenzung/-ermittlung entsprechend dem anwendbaren DBA und nicht nach § 1 Abs. 5 Satz 8 vorzunehmen. Dies kann vom Stpfl. bereits unmittelbar in der Steuerklärung vollzogen werden. Die VWG BsGa verweisen hier auf die Betriebsstätten-VWG[2] v. 24.12.1999, die das deutsche Abkommensverständnis vor Einführung des AOA widerspiegeln.[3] Die auf eine vom AOA abweichende, abkommenskonforme Besteuerung im anderen Staat zurückgehende Doppelbesteuerung wird durch Anwendung der Escape-Klausel des § 1 Abs. 5 Satz 8 gelöst. Soweit die Doppelbesteuerung ihre Ursache dagegen in einer steuerlichen Behandlung im anderen Staat hat, die nicht in einer Abweichung vom AOA besteht, ist § 1 Abs. 5 Satz 8 nicht anzuwenden (Rz. 2903). In diesem Fall ist die Doppelbesteuerung über ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren zu bereinigen.[4]

 

Rz. 2905

[Autor/Stand] Einseitige Abweichung vom AOA? Die Anwendung der Escape-Regelung des § 1 Abs. 5 Satz 8 erfordert die Geltendmachung durch den Stpfl. (Rz. 2895), d.h. eine zwingende Anwendung der Vorschrift ist nicht vorgesehen.[6] Fraglich ist daher, ob auch eine umgekehrte Situation denkbar ist, in der der Stpfl. auf sein Antragsrecht verzichtet, weil der AOA zu einer niedrigeren deutschen Steuerbelastung führt als die abkommensrechtliche Gewinnabgrenzung. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die deutsch-steuerrechtliche Umsetzung des AOA ausschließlich im Rahmen der einseitigen Korrekturvorschrift das § 1 Abs. 5 erfolgte (Rz. 2814); die für den Stpfl. günstige Unterschreitung des abkommensrechtlichen Besteuerungsrahmens durch den tatsächlichen deutschen Besteuerungsanspruch wäre nach dieser Rechtsauffassung ausgeschlossen. Ordnet man den AOA dagegen als allgemein anzuwendenden Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsgrundsatz ein (Rz. 2812), wäre der AOA bereits auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung, d.h. innerhalb der Steuerbilanz umzusetzen (Rz. 2817). In diesem Fall ist denkbar, dass der Gewinn nach AOA den abkommensrechtlichen Rahmen unterschreitet.

 

Rz. 2906– 2920

[Autor/Stand] frei

[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2020
[2] BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 28 ff.
[3] Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182 – Tz. 3.3 Rz. 430, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 447 ff.
[4] Vgl. dazu (im Umkehrschluss) auch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182 – Tz. 3.3 Rz. 432, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 447 ff.
[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2020
[6] Im Fall von DBA mit OECD-Mitgliedstaaten scheint die Finanzverwaltung demgegenüber anzunehmen, dass fiktive Nutzungen zwingend auf der Grundlage des alten Abkommensverständnisses zu erklären sind, vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182 – Tz. 3.2 Rz. 429, vgl. Anhang 2, Verwaltungsanweisungen S. V 447 ff. Dies entspricht jedenfalls nicht dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 8.
[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2020

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