Rz. 43
Unzulässiger Besteuerungsumfang. Die Besteuerung des Veräußerungs- oder Entnahmegewinns gem. § 50 i Abs. 1 Satz 1 im Zeitpunkt des realisierenden Vorgangs führt grundsätzlich nicht zu einer Diskriminierung von EU-Ausländern im Vergleich zu Inländern. Denn es werden auch die Gewinne von Inländern im Verkaufs- bzw. Entnahmezeitpunkt besteuert. Europarechtlich problematisch erscheint es aber, dass bei Verkauf oder Entnahme sämtliche stille Reserven der Besteuerung im Inland unterzogen werden, d.h. auch solche Wertzuwächse, die während der Ansässigkeit des Stpfl. in einem anderen EU-/EWR-Staat gebildet wurden (Anm. 102). Nach den Maßstäben des EuGH für Wegzugsfälle könnte dies einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) begründen, weil es dem Wegzugsstaat nur gestattet ist, die im Wegzugsstaat während der Steueransässigkeit gebildeten latenten Wertzuwächse zu besteuern.
Rz. 44
Zulässiges Treaty Override. Dass § 50 i Abs. 1 Satz 1 den Besteuerungsanspruch durch ein Treaty Override sichert (Anm. 14), ist europarechtlich wohl unkritisch. So befand der EuGH, dass das in § 20 Abs. 2 AStG angelegte Treaty Override gemessen an den unionsrechtlichen Grundfreiheiten nicht diskriminierend sei, weil hierdurch eine Gleichbehandlung von sog. Inbound- und Outbound-Engagements unbeschränkt Stpfl. erreicht würde. Eine ähnliche Argumentation könnte auch bei § 50 i Abs. 1 Satz 1 greifen, weil aus Sicht des deutschen Fiskus durch diese Norm Inlandsinvestitionen von DBA- bzw. EU-Ausländern mit Inlandsinvestitionen von Steuerinländern gleichbesteuert werden. Fraglich könnte aber sein, ob der deutsche Fiskus aufgrund der europarechtlichen Grundfreiheiten eine von ihm verursachte Doppelbesteuerungssituation unilateral abmildern muss, damit das Treaty Override zulässig ist (so wie bspw. in § 50 d Abs. 10 Satz 5 EStG). Im Falle einer Doppelbesteuerungssituation werden die Inlandsinvestitionen von EU-Ausländern im Vergleich zu Inlandsinvestitionen von Steuerinländern schlechter gestellt, was mitunter Deutschland anzulasten ist, weil in Form von § 50 i Abs. 1 Satz 1 die abkommensrechtlich vereinbarte Aufteilung des Steueraufkommens ignoriert wird. Gegen eine Unionsrechtswidrigkeit des in § 50 i angelegten Treaty Override spricht aber, dass das Gemeinschaftsrecht in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der EU keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Befugnisse der Mitgliedstaaten untereinander vorschreibt, weshalb die im AEUV vereinbarten Grundfreiheiten nicht vor einer abkommenswidrig erzeugten Doppelbesteuerungssituation aufgrund der einseitigen Gesetzgebung durch einen Vertragsstaat schützen.
Rz. 45
Ungleichbehandlung von Mitunternehmern bei Doppelbesteuerung der laufenden Einkünfte. Hinsichtlich der Besteuerung der laufenden Beteiligungserträge aus einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 nach § 50 i Abs. 1 Satz 3 könnte fraglich sein, ob eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung darin gesehen werden kann, dass § 50 i Abs. 1 Satz 3 nicht für alle EU-Mitunternehmer eingreift, sondern nur in sog. Altfallkonstellationen bzw. dann, wenn ein Tatbestand i.S. des § 50 i Abs. 1 Satz 1 verwirklicht wurde. Wenn § 50 i für den EU-Mitunternehmer nicht einschlägig ist, muss dieser keine DBA-widrige (Doppel-)Besteuerung von Einkünften (insb. Kapitalerträge) der Personengesellschaft auf der Grundlage von § 50 i Abs. 1 Satz 3 befürchten. Anderes gilt für von § 50 i erfasste EU-Mitunternehmer, die ungeachtet der abkommensrechtlich vereinbarten Einkünftebesteuerung nach dem Ansässigkeitsprinzip eine Inlandsbesteuerung hinnehmen müssen. Diese Ungleichbehandlung von beschränkt Stpfl. könnte europarechtlich bedenklich sein (s. aber die in Anm. 44 zitierte EuGH-Rspr.).
Rz. 46
Unzulässige Diskriminierung bei Einbringungen. Problematisch ist, dass § 50i Abs. 2 im Ergebnis nur bei im DBA-Ausland ansässigen Gesellschaftern der § 50i-Gesellschaft eingreift und für EU-/EWR-Ansässige keine Erleichterungen enthält. Steuerinländer werden dagegen nicht von der Zwangsbesteuerung des § 50i Abs. 2 getroffen. Es spricht viel dafür, dass diese Ungleichbehandlung von EU-/EWR-Ausländern europarechtswidrig ist. Eine zeitlich gestreckte Besteuerung der stillen Reserven oder eine Steuerstundung ist nicht vorgesehen, die aber notwendig wäre, um in die Nähe einer europarechtskonformen Gesetzesfassung zu gelangen. In der Ausgangssituation ist zunächst festzuhalten, dass nach dem geltenden Umwandlungssteuergesetz ein Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft keine Voraussetzung für die Buchwerteinbringung ist, wenn der Einbringende in der EU oder im EWR ansässig ist. Im EU/EWR-Ausland ansässige Steuerausländer können damit grundsätzlich genauso wie Steuerinländer Anteile an Personengesellschaften (oder Betrieben bzw. Teilbetrieben) steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft einbringen, ...