Rz. 3521

[Autor/Stand] Rückversicherungsgeschäft. § 24 Abs. 4 BsGaV enthält eine Sonderregelung zur unternehmerischen Risikoübernahmefunktion im Rückversicherungsgeschäft. Die Regelung bezieht sich dem Wortlaut nach nicht nur auf Rückversicherungsunternehmen in Abgrenzung zu Erstversicherungsunternehmen, für die ansonsten § 24 Abs. 1 BsGaV anzuwenden wäre, sondern allgemein auf das Rückversicherungsgeschäft. Darunter werden die Versicherungsgeschäfte verstanden, mit denen versicherte Risiken von einem Versicherungsunternehmen auf ein anderes Versicherungsunternehmen übertragen werden.[2] Eine vollständige Übertragung sämtlicher Risiken findet dabei jedoch in der Regel nicht statt. So trägt das Versicherungsunternehmen, das seine Versicherungsrisiken rückversichert, das Ausfallrisiko, dass der Rückversicherer seine Zahlungen unter dem Rückversicherungsvertrag nicht leistet.[3] Rückversicherungsverträge können unterschiedlich ausgestaltet sein und verschiedene Formen annehmen.[4] Unter einer fakultativen Rückversicherung prüft der Rückversicherer jede Versicherungspolice, bevor er die Rückversicherung übernimmt. Bei der Vertragsrückversicherung verpflichtet sich der Rückversicherer dagegen im Vorhinein, einen bestimmten Betrag oder Anteil der versicherten Risiken zu übernehmen. Unter jeder Vertragsart können sich Versicherer und Rückversicherer das versicherte Risiko auf unterschiedliche Art teilen. Im Rahmen einer proportionalen Rückversicherung (z.B. Quotenrückversicherung) trägt der Rückversicherer einen bestimmten Anteil des Risikos eines jeden Versicherungsvertrags des Versicherungsunternehmens. Bei der Schadenexzedentenrückversicherung ist der Rückversicherer dann zur Zahlung verpflichtet, wenn der Schaden des Versicherungsunternehmens einen bestimmten Betrag übersteigt.

 

Rz. 3522

[Autor/Stand] Risikoklassifizierung und Risikoauswahl als unternehmerische Risikoübernahmefunktion. Gemäß § 24 Abs. 1 BsGaV stellt der Zeichnungsprozess die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für Versicherungsunternehmen dar. Der Zeichnungsprozess besteht aus mehreren Unterfunktionen, von denen im Rückversicherungsgeschäft grundsätzlich nur die Unterfunktion der Risikoklassifizierung und Risikoauswahl für die Zuordnung der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion maßgebend sein soll. Die anderen Unterfunktionen innerhalb des Zeichnungsprozesses wie auch die sonstigen Funktionen des Versicherungsunternehmens sollen dagegen nur von untergeordneter Bedeutung sein. Die Finanzverwaltung begründet dies damit, dass es sich beim Rückversicherungsgeschäft im Regelfall um individuelle Deckungszusagen handeln und die Risikoklassifizierung und Risikoauswahl deshalb bestimmte zentrale Funktionen erfordern würde, wie die Grundlagenforschung bezüglich bestimmter Risiken und das Führen langjähriger Statistiken. Diese zentralen Funktionen würden eine in materieller und personeller Hinsicht umfangreiche Geschäftsausstattung erfordern. So müsste auch das für die Risikoklassifizierung und die Risikoauswahl in der Rückversicherung zuständige Personal über die für diese Aufgabe erforderliche Qualifikation verfügen.[6] Daraus wird der Schluss gezogen, dass diese Unterfunktion maßgebend für die Zuordnung des Versicherungsrisikos ist. Diese pauschale Zuordnung und die hierzu vorgebrachte Begründung sind jedoch abzulehnen. So könnte aus der Begründung der Finanzverwaltung der Rückschluss gezogen werden, dass die anderen Unterfunktionen innerhalb des Zeichnungsprozesses wie auch die sonstigen Funktionen des Versicherungsunternehmens keine umfangreiche Geschäftsausstattung erfordern würden und nicht über entsprechend qualifiziertes Personal verfügen. Zugleich wird aus der Begründung nicht klar, weshalb die Risikoklassifizierung und Risikoauswahl nur für das Rückversicherungsgeschäft von so wesentlicher Bedeutung sind, nicht jedoch für das Erstversicherungsgeschäft. Da die Identifizierung der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion entscheidender erster Schritt in der Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte unter Berücksichtigung der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und des Fremdvergleichsgrundsatzes ist, sollte dieser Schritt auch auf einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise basieren. Dabei sollten auch die Besonderheiten des konkreten Versicherungsprodukts mit berücksichtigt werden. So stellt auch die OECD klar, dass die Unterfunktion der Risikoauswahl bei standardisierten Versicherungsprodukten und im Rückversicherungsgeschäft häufig von geringerer Bedeutung ist, während Produktentwicklung, Preissetzung, Vertrieb und Marketing sowie Risikomanagement und Rückversicherung in diesen Fällen eine größere Rolle bei der Übernahme des Versicherungsrisikos einnehmen können.[7]

 

Rz. 3523

[Autor/Stand] Widerlegbare Vermutung. § 24 Abs. 4 BsGaV beinhaltet die widerlegbare Vermutung, dass die Personalfunktion der Risikoklassifizierung und der Risikoauswahl die unternehmerische Risikoübernahmefunktion im Rückversicherungsgeschäft da...

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