I. Entstehungsgeschichte
Rz. 1
Gesetzgebungsgeschichte. Wie § 2 gehört auch § 4 zu den seltenen Steuernormen, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mehr geändert wurden als in der Folgezeit. Im 1. RefE war die Vorschrift noch parallel zu § 2 konzipiert. Der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht sollte das Vermögen unterliegen, welches nicht als Auslandsvermögen (i.S. des damaligen § 9 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1959, heute § 121 BewG) anzusehen ist. Bereits im 2. RefE erfolgte eine Änderung der Konzeption insoweit, als das über die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht hinaus erfasste Vermögen nunmehr darüber definiert wird, dass seine Erträge als nicht-ausländische Einkünfte der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 2 unterliegen. Bemerkenswert ist ferner die Entwicklung des persönlichen Anwendungsbereichs der Regelung durch die verschiedenen Entwürfe bis hin zur verabschiedeten Gesetzesfassung: Während nach dem 1. RefE Erwerbe von einem als erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtigen Erblasser (nicht aber Schenker!) oder durch einen erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtigen Erwerber der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterworfen werden sollten, erweiterte der 2. und 3. RefE den Anwendungsbereich auch auf Erwerbe von einem erweitert beschränkt steuerpflichtigen Schenker. Erst im Regierungsentwurf wurde die Anknüpfung auch an den Erwerber fallengelassen. Von besonderer Bedeutung ist ferner, dass eine der zentralen Streitfragen bei der Auslegung der Vorschrift ebenfalls erst durch eine Umformulierung im Regierungsentwurf entstanden ist: Der erste Referentenentwurf machte § 4 noch davon abhängig, dass eine Erbschaftsteuerpflicht "nicht bereits nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG " (= § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) besteht. Der zweite und der dritte Referentenentwurf verzichteten auf dieses Tatbestandsmerkmal, so dass das Verhältnis zur unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht nach dem ErbStG letztlich ungeregelt blieb. Erst der Regierungsentwurf enthielt die letztlich Gesetz gewordene und in Ihrer Bedeutung nach wie vor sehr umstrittene Bestimmung (vgl. Rz. 41 ff.), dass die Erweiterung der Erbschaftsteuerpflicht nur "bei Erbschaftsteuerpflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes" (= § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1974) eintritt.
Rz. 2
Gesetzesgeschichte. Die Gesetzeshistorie von § 4 ist denkbar kurz. Im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts v. 17.4.1974 wurden die Verweise auf die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht der Neufassung des ErbStG angepasst. Einzige inhaltliche Änderung war die Einschränkung des Verweises auf § 2, der nun nicht mehr auf den gesamten Abs. 1, sondern nur noch auf Abs. 1 Satz 1 verweist. Dadurch unterliegt ein Erblasser oder Schenker selbst dann der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht, wenn seine erweitert beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte die Bagatellgrenze von § 2 Abs. 1 Satz 3 nicht überschreiten (vgl. dazu und damit verbundene Fragestellungen Rz. 35). Seit dem Zollkodex-Anpassungsgesetz verweist auch § 2 Abs. 1 zur Konkretisierung des erweiterten Inlandsvermögens auf § 34d EStG (anstatt auf § 34c EStG) – 29 Jahre nach der Überführung des Katalogs der ausländischen Einkünfte aus § 68b EStDV in den dazu neugeschaffenen § 34d EStG durch das StÄndG 1980.
Rz. 3– 5
frei
II. Allgemeiner Inhalt
1. Inhalt, Zweck und Systematik der Vorschrift
Rz. 6
§ 4 im System des AStG. §§ 2–5 betreffen die Besteuerung von natürlichen Personen, die früher einmal in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren, es jetzt aber nicht mehr sind ("Auswanderer", "Wegzügler"); Personen, die auch im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind, werden nicht erfasst (vgl. § 2 AStG Rz. 11). Mit der Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 1 Abs. 1 EStG) scheiden sie aus der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht aus und unterliegen in der Zukunft unter den in § 2 Abs. 1 Satz 1 normierten Voraussetzungen einer erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht (§§ 2 und 5). Erwerbe von Todes wegen sowie Schenkungen unter Lebenden, die von diesen Auswanderern herrühren, unterliegen einer über § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hinausreichenden erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 4). Diese wird durch eine Sonderregelung ...