(1) Ausgangssituation
Rz. 181
Grundsatz der Bestimmung der Erstattung bzw. Zurechnung der Vergütung nach deutschem Steuerrecht. Grundsätzlich ist die Erstattungsberechtigung nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Dies ist in der Regel der Gläubiger i.S.d. § 50d Abs. 1, also derjenige, dem die Einkünfte grundsätzlich nach inländischem Recht zuzurechnen sind, also in der Regel der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger. Die Erstattungsberechtigung knüpfte vor Einführung von Satz 11 ausschließlich an die Zurechnung der Vergütung nach deutschem Steuerrecht an; hingegen war die Zuordnung nach dem Steuerrecht des anderen Staats nicht maßgebend.
Rz. 182
Besonderheit bei Personengesellschaften. Die Abzugsteuer wird auf Rechnung des nach deutschem Recht beschränkt Steuerpflichtigen erhoben. Der beschränkt Steuerpflichtige ist deshalb derjenige, der ggf. zur Erstattung berechtigt ist. Bei Personengesellschaften gilt eine Besonderheit: Diese werden in der deutschen Steuerrechtsordnung als transparent behandelt. Folglich ist der beschränkt Steuerpflichtige nicht die Personengesellschaft, sondern der Gesellschafter.
Rz. 183
Probleme bei Qualifikationskonflikten. Die von Deutschland vertretene anwenderstaatorientierte Betrachtungsweise kann zu Problemen führen, wenn der Staat der Gesellschaft eine andere Qualifikation vornimmt als Deutschland. Insbesondere ist dann nicht gewährleistet, dass der nach deutschem Recht Erstattungsberechtigte auch der Steuerpflichtige nach deutschem Recht ist. Wird eine Gesellschaft nach deutschem Recht als transparent behandelt, sind hiernach die Gesellschafter erstattungsberechtigt. Behandelt der andere Staat die Gesellschaft hingegen als intransparent, sind die Einkünfte hiernach der Gesellschaft selbst zuzurechnen. Auch die umgekehrte Konstellation kann zu Problemen führen. Ist die Gesellschaft nach deutschem Recht als intransparent und nach dem Recht des anderen Staats als transparent zu behandeln, würde nach deutschem Verständnis die Gesellschaft erstattungsberechtigt sein, nach ausländischer Sicht wären hingegen die Gesellschafter erstattungsberechtigt. Folglich ist es hiernach denkbar, dass nach ausländischem Recht einer Person die Einkünfte steuerlich zugerechnet werden, nach deutschem Recht die Erstattungsberechtigung jedoch einer anderen Person zusteht.
Rz. 184
Reaktion des Gesetzgebers. Demnach ist es bei internationalen Sachverhalten möglich, dass zwar ein Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung der Kapitalertrags- und Abzugsteuer aufgrund eines DBA besteht, die beteiligten Staaten die Frage der Steuerpflicht jedoch unterschiedlich beurteilen. Dies betrifft insbesondere den Fall "hybrider" Gesellschaftsformen. Aufgrund einer solchen divergierenden Beurteilung des Gläubigers konnte dann das Erstattungsrecht des Vergütungsgläubigers leerlaufen. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 25.6.2013 Satz 11 in § 50d Abs. 1 eingefügt.
Rz. 185
Intention des Gesetzgebers. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber eine Regelung für Qualifikationskonflikte schaffen, indem er eine Qualifikationsverkettung einführte, wonach sich der Erstattungsberechtigte nach der Zurechnung der Einkünfte bzw. Gewinne nach dem Recht des anderen Vertragsstaats richten soll. Damit wollte der Gesetzgeber Erstattungsberechtigung und Steuerpflicht nach ausländischem Steuerrecht in derselben Person zusammenführen.
(2) Hybride Gesellschaften und andere Anwendungsfälle
Rz. 186
Anwendungsbereich. Dem Gesetzeswortlaut ist dabei keine Beschränkung auf hybride Gesellschaftsformen zu entnehmen. Denkbar sind auch Konstellationen, in denen Deutschland und der ausländische Staat die Gesellschaft einheitlich als Kapitalgesellschaft qualifizieren, der ausländische Staat die Vergütung z.B. auf Grundlage eines Gruppenbesteuerungssystems einer anderen Person zurechnet. Ein Zurechnungskonflikt könnte sich auch bei der dem Anwenderstaat überlassenen Bestimmung des Nutzungsberechtigten ergeben. Keine Änderung der Zurechnung liegt hingegen vor, wenn auf mehreren Gesellschafter-Ebenen die Entlastungsberechtigung eines Gesellschafters einer nach § 50d Abs. 3 nicht selbst entlastungsberechtigten Gesellschaft geprüft wird. Denn der sich nach der Entlastungsberechtigung des Gesellschafters zu bemessende (anteilige) Entlastungsanspruch steht unverändert der Gesellschaft zu, der die Kapitalerträge zugerechnet werden, nicht hingegen dem Gesellschafter.