(1) Grundregelung (Satz 1)

(1)   1 Für die Zuordnung einer Beteiligung, einer Finanzanlage oder eines ähnlichen Vermögenswerts zu einer Betriebsstätte ist die Nutzung der Beteiligung, der Finanzanlage oder des ähnlichen Vermögenswerts die maßgebliche Personalfunktion.

 

Rz. 3071

[Autor/Stand] Definition des Zuordnungsgegenstands. Zum Begriff der Beteiligung s. Anm. 2958, zu dem der Finanzanlage s. Anm. 2959. Der Begriff des "ähnlichen Vermögenswerts" ist nicht definiert. Auch die Verordnungsbegründung und die VWG BsGa nehmen hier keine Konkretisierung vor. Er ist durch Auslegung zu ermitteln. Er umfasst u.E. finanzielle Vermögenswerte, die von einer langfristigen Anlageabsicht geprägt sind, da dies sowohl für Beteiligungen als auch für Finanzanlagen bestimmend ist.[2] Ob Finanzwerte des Umlaufvermögens (z.B. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder Wertpapiere des Umlaufvermögens) ebenfalls unter den Begriff der ähnlichen Vermögenswerte i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV fallen, oder unter die sonstige Vermögenswerte i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 BsGaV zu fassen sind (Anm. 3091), ist unklar.

 

Rz. 3072

[Autor/Stand] Regelvermutung. Die Regelvermutung für die für die Zuordnung von Beteiligungen (Anm. 2958), Finanzanlagen (Anm. 2959) und ähnlichen Vermögenswerten (Anm. 3071) maßgebliche Personalfunktion (Anm. 2944 ff.) ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV ihre Nutzung. Dabei wird ein eigener Nutzungsbegriff eingeführt, der sich auf den funktionalen Zusammenhang der Beteiligung mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte bezieht (sog. funktionale Nutzung, Anm. 3073). Lässt sich eine solche funktionale Nutzung nicht feststellen, soll es für die Zuordnung "im Regelfall" auf die Anschaffung, insbesondere auf die für die Zurverfügungstellung der finanziellen Mittel ursächliche Personalfunktion ankommen (Anm. 3077).[4]

Die Regelvermutung des § 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV weicht vom Verständnis des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 insofern ab, als dieser Beteiligungen primär nach entscheidungs- und risikobezogenen Kriterien zuordnet.[5] Zwar ist nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 BsGaV (nachrangig) auch eine Zuordnung anhand der Personalfunktionen des Erwerbs, der Verwaltung, der Risikosteuerung oder der Veräußerung möglich (Anm. 3077 f.); aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses dieses Zuordnungskriteriums zur Regelvermutung dürfte eine ihm folgende Zuordnung häufig jedoch nicht möglich sein, womit ein grundsätzliches Risiko verbleibt, dass der andere Vertragsstaat eine von der deutsch-steuerlichen Zuordnung abweichende – AOA-konforme – Zuordnung vornimmt.[6]

[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2017
[2] Vgl. Bärsch in H/H/R, § 49 EStG Anhang Anm. 1535 (erscheint voraussichtlich Anfang Februar 2018).
[Autor/Stand] Autor: Leonhardt/Tcherveniachki, Stand: 01.10.2017
[4] BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 64, vgl. Anhang 1 Gesetzesmaterialien, S. G 48.
[5] Hierzu Kraft/Dombrowski, FR 2014, 110; Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 471; Häck, ISR 2015, 119.
[6] Vgl. Häck, ISR 2015, 120 f.

(2) Definition der Nutzung (Satz 2)

2 Die Nutzung ergibt sich aus dem funktionalen Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte.

 

Rz. 3073

[Autor/Stand] Funktionaler Zusammenhang. Anders als z.B. bei materiellen Wirtschaftsgütern, ist die Nutzung eines Vermögenswerts i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV i.d.R. nicht unmittelbar beobachtbar. Auch soweit man die Nutzung eines solchen Vermögenswerts einschränkend in der Vereinnahmung von Dividenden- bzw. sonstigen Beteiligungserträgen begreift, stellt dies keinen Anknüpfungspunkt für die betriebsstättenbezogene Zuordnung des Vermögenswerts bereit, weil häufig keine wesentliche aktive Tätigkeit vorliegt, sondern es allein auf das Eigentum an diesem Vermögenswert ankommt.[2] Der Begriff der Nutzung wird daher für Beteiligungen und Finanzanlagen bzw. ähnliche Vermögenswerte anders gefasst als für materielle Wirtschaftsgüter (Anm. 3021). Gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 BsGaV ist auf den "funktionalen Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte", d.h. darauf abzustellen, ob der Vermögenswert der Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte von Nutzen ist (sog. funktionale Nutzung).[3] Inwieweit hier die im Zusammenhang mit der sog. Entstrickungsbesteuerung der § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG von der Rspr. entwickelten Grundsätze[4] Anwendung finden können, ist unklar. Zwar scheint die Finanzverwaltung dies grundsätzlich für möglich zu halten und postuliert, dass die Grundsätze des § 1 Abs. 5 "in Grundzügen mit der Rspr. zum funktionalen Zusammenhang überein[stimmen]" (Anm. 2816)[5], schon diese Formulierung schließt jedoch Abweichungen nicht aus. Abweichungen dürfen sich auch bereits daraus ergeben, dass die BFH-Rspr. zum funktionalen Zusammenhang wesentlich auf ein "Dienen" der Beteiligung abstellt, während die Zuordnung für Zwecke der BsGaV auf der Grundlage von Personalfunktionen erfolgt.[6]

Ein funktionaler Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte besteht z.B., wenn die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, die von der Betriebsstä...

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