„2. ... Wirtschaftstätigkeit ...

 

Rz. 245

[Autor/Stand] Wirtschaftstätigkeit ist Grundvoraussetzung für sachliche Entlastungsberechtigung. Nach der Regelungssystematik (vgl. Rz. 238) ist die Grundvoraussetzung für eine sachliche Entlastungsberechtigung, dass die Körperschaft überhaupt dem Grunde nach eine Wirtschaftstätigkeit ausübt. Erst anschließend stellt sich zusätzlich die Frage, ob die Einkunftsquelle auch einen wesentlichen Zusammenhang mit dieser Wirtschaftstätigkeit aufweist.

 

Rz. 246

[Autor/Stand] Begriffsbildung. Das Gesetz definiert nicht positiv, was unter einer Wirtschaftstätigkeit zu verstehen ist, sondern definiert in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG nur negativ, was nicht als Wirtschaftstätigkeit gilt (s. zur Systematik auch Rz. 238). Es stellt sich daher die Frage, ob die Negativdefinition abschließend ist und daher zugleich eine Positivdefinition der Wirtschaftstätigkeit in der Weise darstellt, dass eine Wirtschaftstätigkeit angenommen werden kann, wenn die negativen Merkmale des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG nicht vorliegen. Das ist u.E. zu bejahen, vgl. Rz. 248. Es bedarf daher zur Feststellung einer Wirtschaftstätigkeit nur der Prüfung der Negativmerkmale des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG; darüber hinausgehende Merkmale sind nicht erforderlich (vgl. Rz. 344 ff.). Gleichwohl lassen sich einige fundamentale Grundaussagen zum Begriff der Wirtschaftstätigkeit durch Zerteilung in dessen Bestandteile in "Tätigkeit" und "wirtschaftlich" gewinnen (vgl. Rz. 249 ff.), die wieder Rückschlüsse auf die Auslegung und Funktion der Negativdefinition in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG erlauben:

  • Grundvoraussetzung ist das Vorliegen einer Tätigkeit der Körperschaft, die Gegenstand der Beurteilung der Negativabgrenzung in Halbs. 2 ist (vgl. Rz. 250), und
  • die Negativabgrenzung des Halbs. 2 entscheidet darüber, ob diese Tätigkeit "wirtschaftlich" (d.h. eine Wirtschaftstätigkeit) ist (vgl. Rz. 250, 251 ff., näher zur Systematik Rz. 255).
 

Rz. 247

[Autor/Stand] Auslegungs- und Anwendungsgrundsätze. Der Begriff der "Wirtschaftstätigkeit" entstammt ursprünglich der Basisgesellschafts-Rechtsprechung des BFH[4] (vgl. auch Rz. 262) und war bereits in allen Vorgängerfassungen des § 50d Abs. 3 EStG enthalten. Im Laufe der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtfertigung von grundfreiheitsbeschränkenden Missbrauchsvermeidungsvorschriften hat das Merkmal der Wirtschaftstätigkeit aber eine entscheidende unionsrechtliche Bedeutung erlangt (vgl. Vor § 50d Abs. 3 Rz. 98): Bereits in der Rs. Cadbury Schweppes hat der EuGH[5] das Fehlen einer "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" als maßgebliches Kriterium dafür herangezogen, dass das Berufen auf die Niederlassungsfreiheit missbräuchlich sein kann. Dem EuGH kommt es insoweit in erster Linie auf die "Wirklichkeit" (Echtheit, Realität) der Tätigkeit an; dass diese "wirtschaftlich" ist, setzt die Niederlassungsfreiheit bereits in ihrem Anwendungsbereich voraus (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 88). In der Rs. Eqiom und Enka hat der EuGH diese Grundsätze uneingeschränkt auch auf den von § 50d Abs. 3 EStG erfassten Inboundfall übertragen. Diese Rechtsprechung wurde in den Rs. Deister Holding, GS (vgl. Vor § 50d Abs. 3 Rz. 98) und zuletzt in den Danish Cases bestätigt (vgl. Vor § 50d Abs. 3 Rz. 32). Um einen Verstoß des § 50d Abs. 3 EStG gegen Grundfreiheiten zu vermeiden, ist der Begriff der Wirtschaftstätigkeit im Einklang mit dieser EuGH-Rechtsprechung unionsrechtskonform auszulegen. Wo § 50d Abs. 3 EStG an sekundärrechtlichen Vorgaben zu prüfen ist, gelten diese Grundsätze entsprechend, da die Schwelle des Missbrauchs insoweit einheitlich anzulegen ist (s. ausf. Vor § 50d Abs. 3 Rz. 26).

 

Rz. 248

[Autor/Stand] Unionsrechtskonformer Umkehrschluss. Da das Gesetz den Begriff der Wirtschaftstätigkeit in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG nur negativ abgrenzt, stellt sich die Frage, ob im Wege eines Umkehrschlusses gefolgert werden kann, dass eine Wirtschaftstätigkeit stets vorliegt, wenn die betreffende Tätigkeit über die negativen Merkmale des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG hinausgeht (d.h. diese Merkmale nicht erfüllt). Ein solcher Umkehrschluss würde voraussetzen, dass § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG abschließend die Tätigkeiten benennt, die nicht als Wirtschaftstätigkeit anzusehen sind. Das wird teilweise mit dem Argument verneint, § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG enthalte keine dahingehende ausdrückliche Formulierung.[7] Dies verkennt aber, dass die Frage, ob eine Norm abschließend ist, nicht nur anhand des (eindeutigen) Wortlauts, sondern allgemein durch Auslegung, d.h. anhand aller Auslegungskriterien zu ermitteln ist. Gerade darin liegt der Kern der Argumentation eines Umkehrschlusses, der es bei einem eindeutigen Wortlaut nicht wirklich bedürfte. Der Wortlaut des Gesetzes ist hier unergiebig: § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halb. 2 EStG enthält zwar nicht bereits eine Formulierung, die zwingend eine abschließende Defi...

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