Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 23.3
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Die Unterschiedsbetragsminderung muss durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Die entsprechende Prüfung ist regelmäßig das Kernproblem der vGA. Unter Veranlassung ist insoweit der auslösende Moment für eine bestimmte Vorteilszuwendung zu verstehen, der nur im Rahmen einer wertenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles bestimmt werden kann. Die Rechtsprechung bedient sich in der Regel des Fremdvergleichs als eines Hilfskriteriums der Veranlassung. Dabei geht sie von dem widerlegbaren Vermutungssatz aus, dass ein Verhalten, das dem Fremdvergleich entspricht, nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Weicht das Verhalten allerdings von dem ab, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter getan hätte, so wird eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis widerlegbar vermutet. Man kann auch sagen, dass je mehr ein Verhalten vom Fremdvergleich abweicht, desto eher eine Vermutung für die Annahme einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis spricht.
Rz. 23.4
Begriff "Gesellschaftsverhältnis". Der Begriff "Gesellschaftsverhältnis" muss für die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht einheitlich verstanden werden. Dennoch ist unter einem Gesellschaftsverhältnis i.S. beider Vorschriften ein solches an einer Kapitalgesellschaft, an einer Genossenschaft sowie an einer optierenden Gesellschaft i.S.d. § 1a KStG zu verstehen. Der sich am deutschen Zivilrecht orientierende Begriff "Gesellschaftsverhältnis" darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Gesellschaftsverhältnis auch an einem ausländischen Rechtsträger bestehen kann. Der ausländische Rechtsträger muss allerdings im Bereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vom Typus her einer deutschen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft entsprechen. Speziell für den Bereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG geht zumindest die Rechtsprechung davon aus, dass der Gesellschaftsbegriff weit zu fassen ist und z.B. auch Vereine umfasst.
Rz. 23.5
Bedeutung des Fremdvergleichs für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Die Rechtsprechung beurteilt die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis seit dem BFH-Urteil v. 16.3.1967 anhand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Geschehensablauf und dem hypothetischen Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Weicht der tatsächliche Geschehensablauf von dem ab, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mutmaßlich unter vergleichbaren Voraussetzungen getan hätte, so wird die Veranlassung der Unterschiedsbetragsminderung durch das Gesellschaftsverhältnis widerlegbar vermutet. Dem Steuerpflichtigen wird anheimgestellt darzulegen, dass sein Verhalten entgegen dem Vermuteten auf "good business-reasons" beruhte. Gelingt der entsprechende Nachweis, so wird von dem Ansatz einer vGA abgesehen.
Rz. 23.6
Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung. Nach der Rechtsprechung des BFH ist zur Prüfung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht nur die Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft, sondern auch dessen Vertragspartner (z.B. der Gesellschafter) einzubeziehen. Zutreffend geht der BFH davon aus, dass der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab ausreicht. Vielmehr ist es geboten, den durchzuführenden Fremdvergleich neben der Sicht der Kapitalgesellschaft zugleich aus Sicht des Vertragspartners (z.B. Gesellschafters) zu berücksichtigen. Dies ist auch die Auffassung der Finanzverwaltung. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, kann deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. Im Ergebnis kann es nicht nur auf die Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft ankommen, erforderlich ist auch die Einbeziehung des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters des Vertragspartners. Es wird damit von dem Konzept des "doppelten ordentlichen Geschäftsleiters" zur Konkretisierung des Fremdvergleichs für die Prüfung einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gesprochen. Dieser Leitgedanke des Fremdvergleichsgrundsatzes ist gesetzlich auch in § 1 Abs. 1 Satz 3 niedergelegt. Danach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, "dass die voneinander unabhängigen Dritten [...] nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln." Ausweislich der Gesetzesbegründung ist dies notwendig, "da andernfalls das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise nicht erreicht werden kann." Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist sowohl im Anwendungsbereich der vGA als auch im Hinblick auf § 1 Abs. 1 "stets" auf die "Denkfigur des doppelten ordentlichen und gewisse...