Rz. 28

[Autor/Stand] Rückwirkende Tatbestandserweiterung. § 50 i Abs. 1 Satz 2 beinhaltet eine gesetzliche Fiktion, wodurch ein nicht vom Wortlaut des § 50 i Abs. 1 Satz 1 erfasster Sachverhalt (Buchwerteinbringung i.S. des § 20 UmwStG durch die Personengesellschaft) als Übertragung oder Überführung von Anteilen i.S. des § 17 EStG i.S. des § 50 i Abs. 1 Satz 1 fingiert wird. Diese Fiktion wurde im Jahr 2014 im Zuge des KroatienAnpG[2] nachträglich in § 50 i aufgenommen. Sie ist anwendbar, wenn der Einbringungszeitpunkt vor dem 29.6.2013 – also vor Inkrafttreten von § 50 i Abs. 1 – liegt. Die Vorschrift wurde im Zuge des BEPS-UmsG I dahingehend ergänzt, dass eine § 50i-Verhaftung nur dann qua Einbringung begründet werden kann, wenn das Besteuerungsrecht an den als Gegenleistung für die Einbringung erhaltenen Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft vor dem 1.1.2017 ausgeschlossen oder beschränkt wurde (§ 50i Abs. 1 Satz 2 Nr. 3); diese Einschränkung des Anwendungsbereich ist am 23.12.2016 – also vor dem 1.1.2017 – im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, weshalb insoweit keine rückwirkende Gesetzesverschärfung vorliegt.

 

Rz. 29

[Autor/Stand] Echte und unechte Rückwirkungsfälle. Bei der Beurteilung der Rückwirkungsfragen ist zunächst danach zu differenzieren, ob im Zeitraum zwischen der Schaffung von § 50 i (Gesetzesbeschluss am 6.6.2013 und Gesetzesverkündung am 29.6.2013) und der beschlossenen Änderung von § 50 i (Gesetzesbeschluss am 3.7.2014 und Gesetzesverkündung am 30.7.2014) die Anteile an der Kapitalgesellschaft bereits veräußert oder entnommen wurden. Wurden die Anteile bereits vor der Gesetzesänderung veräußert, löst § 50 i Abs. 1 Satz 2 nachträglich (mitunter) andere Rechtsfolgen aus, was in Abhängigkeit vom konkreten Veräußerungs- bzw. Entnahmezeitpunkt als echte Rückwirkung (Veräußerung/Entnahme vor dem 1.1.2014) oder als unechte Rückwirkung (Veräußerung/Entnahme nach dem 31.12.2013) einzustufen wäre. Wurden die Anteile noch nicht veräußert, knüpft die Gesetzesänderung in Form einer tatbestandlichen Erweiterung (ggf. Klarstellung, s. Anm. 30) an bereits verwirklichte Sachverhalte an, wodurch zukünftige Rechtsfolgen im Vergleich zum gesetzlichen Status Quo vor der Gesetzesänderung (mitunter) verändert werden. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die nachfolgend diskutierten Fallvarianten:

Hinzuweisen bleibt darauf, dass mit Schaffung von § 50 i Abs. 1 Satz 2 in den dort genannten Fällen auch eine Entstrickungsbesteuerung rückwirkend verhindert wird, was grds. positiv wirkt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte (Anm. 17).

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Anteilsverkauf vor dem 1.1.2014 (Fall 1). Hat der Verkauf bzw. die Entnahme der Anteile noch im Veranlagungszeitraum 2013 nach Inkrafttreten von § 50 i stattgefunden, so führt die Gesetzesänderung von § 50 i im Jahre 2014 zu einer unzulässigen echten Rückwirkung, wenn hierdurch rückwirkend ein Sachverhalt von § 50 i erfasst und besteuert wird, der vor der Gesetzesänderung nicht erfasst wurde.[5] In diesem Zusammenhang ist entscheidend, ob § 50 i Abs. 1 Satz 2 als eine materiell-rückwirkende Gesetzesänderung mit konstitutiver Wirkung oder nur als eine formal-rückwirkende Gesetzesänderung mit klarstellender Wirkung zu qualifizieren ist.[6] Würde § 50 i Abs. 1 Satz 2 rückwirkend lediglich klarstellen, was ohnehin bereits nach objektivierter Auslegung durch Gerichte dem geltenden Recht entsprach, so stellt sich nicht die Frage, ob die Vorschrift trotz formal echter Rückwirkung ausnahmsweise mit dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze vereinbar ist, weil das geltende Recht nachträglich keine materielle Änderung erfahren hat.[7] Nach Auffassung des Gesetzgebers handelt es sich bei § 50 i Abs. 1 Satz 2 lediglich um eine gesetzliche Klarstellung, weil bereits in den Gesetzesmaterialien zu § 50 i a.F. zum Ausdruck gebracht wurde, dass auch "Umstrukturierungen (§ 20 UmwStG)" vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sein sollen.[8] Demgegenüber werden nach ganz herrschender Literaturmeinung Einbringungsfälle i.S. des § 50 i Abs. 1 Satz 2 nicht vom Wortlaut des § 50 i Satz 1 a.F. erfasst, weshalb die Norm in diesen Fällen nicht für anwendbar gehalten wird (Anm. 82). Angesichts divergierender Rechtsauffassungen zwischen Legislative und Literaturmeinung besteht bei § 50 i Satz 1 a.F. eine offene Auslegungsfrage, die der Gesetzgeber mit § 50 i Abs. 1 Satz 2 aus seiner Sicht klarstellend i.S. des Normzwecks regeln möchte. Sollte der BFH bzw. das BVerfG in einem zukünftigen Verfahren der Auffassung des Gesetzesgebers beipflichten, dass die Einbringungsfälle i.S. des § 20 UmwStG bereits von der ursprünglichen Fassung des § 50 i erfasst wurden, löst § 50 i Abs. 1 Satz 2 keine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung aus (klarstellende Funktion von § 50 i Abs. 1 Satz 2). Sollte der BFH bzw. das BVerfG aber der herrschenden Literaturmeinung Recht geben, entfaltet § 50 i Abs. 1 Satz 2 konstitutive Wirkung, die als echte Rückwirku...

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