Rz. 1220

[Autor/Stand] Ausgangssachverhalt. Der Sachverhalt entspricht dem in Rz. 1214 dargestellten Sachverhalt. Allerdings beschließt die Geschäftsführung der A GmbH, auch die mit der Produktion der Kühlaggregate zusammenhängenden Patente auf die B Kft. zu übertragen. Zukünftig soll die B Kft. die Kühlaggregate selbständig weiterentwickeln. Darüber hinaus soll die B Kft. den Vertrieb der Kühlaggregate an die externen Kunden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vornehmen. Die erwarteten Gewinne der B Kft. aus der Produktion und dem Vertrieb der Kühlaggregate betragen pro Jahr 1 Mio. Euro.

 

Rz. 1221

[Autor/Stand] Voraussetzungen eines Eigenproduzenten. Im Gegensatz zu Fall 1 agiert die B Kft. in Fall 2 nicht als Lohnfertiger, sondern als Eigenproduzent. Nach Verwaltungsauffassung sind folgende Merkmale für einen Eigenproduzenten typisch:[3]

  • Der Eigenproduzent übt die volle Produktionsfunktion aus (z.B. Fertigung, Produktionsentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung).
  • Der Eigenproduzent nimmt auch Vertriebs- und Vermarktungsfunktionen wahr (z.B. Werbung, Marketing, Vertrieb).
  • Der Eigenproduzent verfügt über eigene Entscheidungskompetenzen in Bezug auf die Produktions-, Vertriebs- und Vermarktungsfunktionen.
  • Der Eigenproduzent ist im Besitz der wesentlichen materiellen und insbesondere immateriellen Wirtschaftsgüter (Eigentum oder Lizenz).
  • Der Eigenproduzent trägt die mit der Ausübung dieser Funktionen verbundenen Chancen und Risiken, insbesondere das Markt- und Absatzrisiko.
 

Rz. 1222

[Autor/Stand] Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllt. Da die F&E-, die Herstellungs- und die Vertriebsfunktion für die Kühlaggregate und darüber hinaus sämtliche damit zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie die wichtigsten immateriellen Wirtschaftsgüter (Patente) von der A GmbH auf die B Kft. übertragen werden, liegt eine Funktionsverlagerung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008/2022 vor. Denn mit diesen Funktionen im Zusammenhang stehende Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile gehen auf die B Kft. über und bei der A GmbH werden die entsprechenden Funktionen nach der Funktionsverlagerung eingestellt.[5] § 1 Abs. 3b Satz 2, 3 und § 2 Abs. 2 FVerlV 2008 (Übertragung von Funktionen auf ein Routineunternehmen und Anwendung der Kostenaufschlagsmethode) sind nicht anwendbar. Ebenso wenig sind die Ausnahmetatbestände der Funktionsverdoppelung (§ 1 Abs. 5 FVerlV 2022) und der bloßen Übertragung von Wirtschaftsgütern/Personalentsendung (§ 1 Abs. 7 FVerlV 2008) einschlägig.[6]

 

Rz. 1223

[Autor/Stand] Bewertung der Funktion als Ganzes. Da in dem in Rz. 1220 dargestellten Sachverhalt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllt sind, hat die A GmbH das entsprechende Entgelt auf der Grundlage einer Verlagerung "der Funktion als Ganzes" zu bestimmen, d.h. den Wert für ein sog. Transferpaket zu ermitteln. Das Transferpaket besteht nach § 1 Abs. 3b Satz 1 aus den von der A GmbH auf die B Kft. übergehenden Funktionen und den mit diesen Funktionen zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die auf die B Kft. übertragen werden. Im Ergebnis beinhaltet damit das Transferpaket ein Konglomerat aus allen denkbaren Lieferungs- und Leistungsbeziehungen, die zwischen der A GmbH und der B Kft. im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung stattfinden.[8] Da die Anwendung eines tatsächlichen Fremdvergleichs nicht möglich ist,[9] ist nach der Grundregel des § 1 Abs. 3 Satz 7, Abs. 3a Satz 5 f. der Wert des Transferpakets unter Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs zu ermitteln. Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs ist aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen ein Einigungsbereich aus dem Mindestpreis der A GmbH und dem Höchstpreis der B Kft. zu ermitteln. Dabei ist bei der Ermittlung der Preisunter- bzw. Preisobergrenze auf die zukünftig erwarteten kapitalisierten finanziellen Überschüsse ("Gewinnpotential") der Funktion abzustellen. Dies läuft auf eine Anwendung des Ertragswertverfahrens hinaus, wobei folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind:

  • Isolierung und Prognose der finanziellen Überschüsse, die auf das Transferpaket entfallen;[10]
  • Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums;[11]
  • Bestimmung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes.[12]
 

Rz. 1224

[Autor/Stand] Ermittlung der Preisuntergrenze. Die Preisuntergrenze aus Sicht der A GmbH ergibt sich aus dem Barwert der "Reingewinne nach Steuern", den die A GmbH bei einer Fortführung der entsprechenden Funktionen erwartet hätte. Da die A GmbH allerdings dauerhaft Verluste erwirtschaften wird, bestimmt sich die Preisuntergrenze gem. § 6 Abs. 3 FVerlV 2022 nach dem niedrigeren der beiden folgenden Werte:[14]

  • Barwert der erwarteten Verluste (hier: ./. 400.000 Euro × Barwertfaktor) oder
  • Liquidationswert der Funktion (hier: 500.000 Euro ./. 800.000 Euro = ./. 300.000 Euro).

Damit ergibt sich nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 3 FVerlV eine Preisuntergrenze aus Sicht...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge