Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
aa) Produktionsbezogene Funktionen
Rz. 621
Allgemeines. Die Analyse produktionsbezogener Funktionen ist im Hinblick auf die Abgrenzung von sog. Eigenfertigern und Auftrags- bzw. Lohnfertigern besonders relevant. Die Frage, wie eine Produktionsfunktion konzernintern organisiert ist und welche Unternehmen in Produktionstätigkeiten involviert sind, ist zunächst eine Frage der unternehmerischen Dispositionsfreiheit. Die Auslagerung von Produktionsfunktionen tritt in aller Regel bei Unternehmen mit einer größeren Produktionstiefe in Erscheinung, wo mehrere, mitunter technisch anspruchsvolle Komponenten durch spezialisierte Zulieferungen endgefertigt werden. Jedoch können auch Lohnkostenvorteile bei verhältnismäßig einfachen Produktionstätigkeiten zu einem Einschalten von Auftrags- bzw. Lohnfertigungsunternehmen führen (bspw. in der Bekleidungsherstellung).
Rz. 622
Produktionstypen. Die Unterscheidung bestimmter Produktionstypen ist für die Auswahl der geeigneten Verrechnungspreismethode entscheidend. So werden Lohnfertigungstätigkeiten regelmäßig auf Basis der Kostenaufschlagsmethode vergütet (Rz. 766). Sog. Eigenfertiger (Fully-Fledged Producer) kennzeichnen sich regelmäßig dadurch, dass sämtliche mit der Vorbereitung, der eigentlichen Durchführung und der Nachbereitung der Produktionstätigkeit verbundene Aktivitäten und Entscheidungskompetenzen (Beschaffung der Rohstoffe, eigentliche Produktion, Qualitätssicherung, Verpackung, Transport, Lagerhaltung etc.) durch das Unternehmen auf eigene Rechnung, durch den Einsatz eigener (ggf. auch lizenzierter) Wirtschaftsgüter und auf eigenes Kostenrisiko wahrgenommen werden. Der Lohnfertiger (Toll-Manufacturer) hingegen ist durch eine geringere Funktions- und auch Risikotiefe gekennzeichnet. Seine Tätigkeiten beschränken sich auf die bloße Erbringung einer Produktionsdienstleistung an beigestellten Rohstoffen oder Vorprodukten, ohne dass er die mit der Produktion verknüpften wirtschaftlichen Risiken tragen müsste (Rohstoffbeschaffungsrisiko, Leerkostenrisiko, Absatzrisiko, allgemeines Marktrisiko etc.).
Der Auftragsfertiger (Contract-Manufacturer) hat hingegen gegenüber dem Lohnfertiger ein angereichertes Funktions- und Risikoprofil. Auch er erbringt letztlich eine reine Dienstleistung in Gestalt der Ausübung einer Produktionstätigkeit, gleichwohl beschafft er die Rohstoffe oder zu bearbeitenden Vorprodukte selbst, erhält hierfür im Gegenzug aber Abnahmegarantien durch seinen Auftraggeber nach Vollendung der Fertigungstätigkeiten. Mitunter erbringen Auftragsfertiger auch Forschungs- und Entwicklungsleistungen zur Produkt- oder Fertigungsverfahrensoptimierung. Eine verbindliche Definition der Begriffe "Eigenproduzent" sowie "Auftrags- bzw. Lohnfertiger" mit einer abschließenden Anzahl von Tatbestandsmerkmalen existiert jedoch nicht, so dass die Begriffe als "Typusbegriffe" einzustufen sind, die im übertragenen Sinne als "Anschauungsbilder" fungieren, denen mithin Sachverhalte und Erscheinungsformen als "entsprechend" oder "sinnähnlich" zugeordnet werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Begriff des Eigenproduzenten oder des Lohn- bzw. Auftragsfertigers nicht von dem Vorhandensein bestimmter, abschließender Tatbestandsmerkmale abhängig ist. Gleichwohl ist das Vorhandensein bestimmter zentraler Funktionen und Risiken (bspw. das Absatzrisiko) für die Kategorisierung als Eigen- oder Lohn- bzw. Auftragsfertiger von ausschlaggebender Bedeutung.
bb) Absatz- und vertriebsbezogene Funktionen
Rz. 623
Ausgangspunkt. Betriebliche Funktionen im Absatz- und Vertriebsbereich sind aus Verrechnungspreissicht von signifikanter Bedeutung, weil bereits zivilrechtlich verschiedene Vertriebsformen (Eigenhändler, d.h. Kauf oder Verkauf im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, Kommissionär, d.h. Kauf oder Verkauf im eigenen Namen, jedoch auf fremde Rechnung, Handelsvertreter, d.h. Kauf oder Verkauf auf fremden Namen und fremde Rechnung, Handelsmakler, d.h. bloße Vermittlung von Handelsgeschäften) existieren, die – aufgrund ihrer strukturellen Besonderheiten – entscheidenden Einfluss auf die Unternehmenscharakterisierung haben. Die Analyse von Funktionen im Absatz- und Vertriebsbereich ist daher u.a. von der bereits aus zivilrechtlicher Perspektive gewählten Vertriebsform abhängig. Innerhalb der vorgenannten Vertriebsformen hängt die Ausgestaltung des Funktions- und Risikoprofils ferner davon ab, in welchem Marktumfeld und auf welcher Handelsstufe (Großhandel, Zwischenhandel, Einzelhandel) sich der Vertreiber befindet. Allgemein können bei der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise im Rahmen von Waren- oder Güterlieferungen zwischen verbundenen Unternehmen u.a. folgende Schlüsselparameter Berücksichtigung finden, die zwischen fremden Dritten bei...