Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
aa) Abkommensrechtliche Steuerfreistellung (Alt. 1)
"..., dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind ..."
Rz. 65
Einkünfte. Mit dem Begriff der "Einkünfte" ist die Behandlung der abkommensrechtlich freizustellenden Einkünfte (s. Rz. 46 ff.) im anderen Staat (s. Rz. 65) gemeint.
Rz. 66
In diesem Staat. Mit der Formulierung "in diesem Staat" bezieht sich die Anordnung auf den zu Beginn von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG angesprochenen "anderen Staat" (s. Rz. 60). Daraus folgt, dass für die korrespondierende Besteuerung nur dieses Abkommensverhältnis maßgeblich ist, was man als Abkommenskongruenz bezeichnen kann. Steuerliche Auswirkungen in einem davon abweichenden Staat können daher nicht berücksichtigt werden.
Rz. 67
Von der Besteuerung auszunehmen. Der abkommensrechtliche (s. Rz. 61) Qualifikationskonflikt (s. Rz. 62) muss zu einem bestimmten Besteuerungsergebnis führen, damit § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG anwendbar ist. Als erste Alternative wird hierfür normiert, dass die Einkünfte "von der Besteuerung auszunehmen" sind. Damit ist eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung gemeint, die sich durch den Methodenartikel (Art. 23A OECD-MA) oder die Verteilungsartikel (Art. 6–21 OECD-MA) mit "abschließender" Rechtsfolge ergeben kann. Weil Deutschland aber – nach der hier vertretenen Auffassung – der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat sein muss (s. Rz. 54), wird der andere Staat für gewöhnlich der Quellenstaat sein, in der Folge es nur um eine durch dieVerteilungsartikel angeordnete Ausnahme von der Besteuerung geht. Dabei ist ohne Bedeutung, bei wem sie ausgenommen wird. Aufgrund der Voraussetzung einer abkommensrechtlichen Steuerfreistellung sind Besteuerungsausnahmen aus anderen Umständen unschädlich. Das gilt insbesondere für eine Besteuerungsausnahme infolge des innerstaatlichen Rechts (z.B. durch persönliche/sachliche Steuerbefreiungen oder Steuererlasse), aber z.B. auch bei einer Nichtdeklaration der Einkünfte. Sind die Einkünfte aufgrund einer Verlustverrechnung mit keiner Steuerschuld verbunden, ist das bereits dogmatisch nicht als "fehlende Besteuerung" einzustufen, da sie den Verlust verringern und somit besteuert werden.
Rz. 68
"sind". Aus dem Wörtchen "sind" ergibt sich, dass es nicht um die tatsächliche Behandlung im anderen Staat geht, sondern die abstrakte Behandlung maßgeblich ist.
bb) Begrenzter Steuersatz (Alt. 2)
"... oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können; ..."
Rz. 69
Besteuerung zu einem begrenzten Steuersatz. Als zweite Alternative ("oder") wird normiert, dass der abkommensrechtliche (s. Rz. 61) Qualifikationskonflikt (s. Rz. 62) dazu führt, dass die Einkünfte "nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können". Das kann sich abkommensrechtlich nur für den Quellenstaat und zwar für Dividenden, aber auch Zinsen und Lizenzgebühren (Art. 10–13 OECD-MA) ergeben. Damit unterscheidet sich die Regelung von den Vorgaben des Art. 23A Abs. 4 EStG, der lediglich Dividenden und Zinsen erfasst, was aber daran liegt, dass das OECD-MA für Lizenzen kein begrenztes Quellenbesteuerungsrecht kennt (dazu auch Rz. 63).
Rz. 70
"können". Mit der Formulierung wird hier und ähnlich zur ersten Alternative ("sind", s. Rz. 67) verdeutlicht, dass die abstrakteBehandlung maßgeblich ist. Wie der Quellenstaat die Einkünfte also tatsächlich besteuert, ist irrelevant. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Besteuerung bei einer anderen Person besteuert wird. Das führt dazu, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG selbst dann einschlägig ist, wenn sich die tatsächliche Besteuerungssituation durch den Qualifikationskonflikt nicht ändert.